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Türkiyemspor captain Fatih Aslan (right) scored the winner in Sunday's game against Mahlsdorf.

© Mediateam Türkiyemspor

Türkiyemspor: Fußballclub kämpft ums Überleben

Der Sport ist jetzt Nebensache beim Türkiyemspor. Der bekannteste Migrantenverein Berlins findet sich in die schwerste finanzielle Situation seit seiner Gründung im Jahre 1978, und kämpft nicht nur fußballerisch ums Überleben.

Die Voraussetzungen waren von Anfang an alles andere als einfach für Türkiyemspor. "Wir haben eine Mannschaft ohne Geld zusammengestellt", sagt Robert Claus aus dem Mediateam. Doch er gibt die Hoffnung nicht auf, das Ziel, den Klassenerhalt, immer vor Augen. Daran ändert auch der Überraschungserfolg in den ersten zwei Spielen nichts. "Wenn wir nächstes Jahr das Insolvenzverfahren beenden, dann können wir in der Liga mitspielen", hofft er.

Doch das Insolvenzverfahren zu beenden ist keine Kleinigkeit. Abstiege, eine auskeilende Fangemeinde und ein umstrittenes Management haben die Mannschaft in den letzten 20 Jahren aus der zweiten Liga und in die finanzielle Not gedrängt. Der Einjahresvertrag mit Trikotsponsor Betfair ist jetzt seit einem Jahr ausgelaufen. Der Klub ist jetzt auf Spenden angewiesen. 60.000 Euro muss er für sein Überleben sammeln.

„Bei Migrantenvereinen gibt’s immer Strukturprobleme,“ sagt Claus. „Ein Klub, der erst in den Siebziger Jahren gegründet wurde, wird nie so stabil wie ein Traditionsklub sein. Das erlebt jeder Migrantenverein, aber wir besonders, weil wir so hochklassig spielen.“

Das Spiel gegen den BSV Eintracht Mahlsdorf ist das erste seit vier Jahren im Katzbachstadion in Kreuzberg. In diesem Stadion hat Türkiyemspor in den Achtziger Jahren seine größten Erfolge gefeiert. Die zwei- oder dreihundert Fans, die dem Verein treu bleiben, freuen sich offensichtlich darüber, zurück zu sein. Der Aufsichtsrat begrüßt fast jeden von ihnen persönlich: den Türken wie den Deutschen im „Fußball gegen Homophobie“-T-Shirt. Die Legende des Türkiyemspor lebt noch.

Auf diesem Ruf, ein Gemeinschaftsverein zu sein, basiert der Klub immer noch. Als ein Klub, der für Beteiligung und Integration steht, ist er bundesweit bekannt. Den Begriff „Integration“ findet Claus allerdings ein bisschen gefährlich. „Wir sprechen lieber von Partizipation oder Emanzipation", sagt er. "Wenn du einen Kiez hast wie Kreuzberg und Neukölln, wo die Arbeitslosigkeit hoch ist, und wo die Schulbildung ausbaufähig ist, ist ein Verein, der für 300 Jugendliche mit verschieden Hintergründen sorgt, unglaublich wichtig.“ Das klingt ein bisschen auswendig gelernt. Aber ein bisschen Marketing gehört wohl einfach dazu. Türkiyemspor inspiriert seine Fans und Mitglieder zu echter Leidenschaft. Sie wollen den Klub retten, weil sie an seine Legende glauben.

Fast 20 Minuten des Spiels sind vorbei, als Türkiyemspor ein paar Kombinationen aufbauen und einen Konterangriff führen. Der Ball wird von der rechten Seite nach innen geflankt und Baris Demircan steckt ihn am hilflosen Torwart vorbei ins Netz. Fast eine Stunde später bekommt Türkiyem einen Freistoß, der von Fatih Aslan angenommen wird. „Der hat einen Bauch, aber er kann immer noch Freistöße verwandeln“, sagt mir Claus. Er hat Recht. Der Ball fliegt in die obere, linke Ecke des Tors. Die kleine Arena explodiert. Der Abpfiff rückt näher, die Luft ist von Zigarettenrauch geschwängert. Mahlsdorf schafft es, ein Tor zu erzielen. Ein Ausgleichstor wurde wegen Abseits aberkannt. Claus kann vor Euphorie kaum reden.

Der Sport mag derzeit Nebensache sein, aber an diesem Sonntag ist es wichtig. 7 Punkte aus den ersten 3 Spielen sind ein unerwarteter und unglaublicher Erfolg für Türkiyemspor. Und trotz der finanziellen Probleme wird der ganze Verein das genießen.

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