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Sport: Galatasaray: Der Fluch des Erfolges

Bei türkischen Fußballfans ist es keine Seltenheit, dass sie die Anhängerschaft zu ihrem Klub vom Vater oder sogar vom Großvater geerbt haben und auch durch jahrelange Misserfolge nicht von ihrer Zuneigung abzubringen sind. Die Gefolgschaften der großen Klubs sind sich untereinander spinnefeind und verhöhnen sich in oft rüden Schlachtgesängen.

Bei türkischen Fußballfans ist es keine Seltenheit, dass sie die Anhängerschaft zu ihrem Klub vom Vater oder sogar vom Großvater geerbt haben und auch durch jahrelange Misserfolge nicht von ihrer Zuneigung abzubringen sind. Die Gefolgschaften der großen Klubs sind sich untereinander spinnefeind und verhöhnen sich in oft rüden Schlachtgesängen. Doch Mitte Mai war plötzlich alles anders. Hunderttausende schwenkten die Fahnen eines einzigen Vereins und versammelten sich im Stadtzentrum von Istanbul, um einen Sieger willkommen zu heißen: Galatasaray Istanbul hatte als erster türkischer Fußballklub den Uefa-Cup gewonnen. Der Stolz über diesen Erfolg wurde vom ganzen Land empfunden; sogar die Regierung in Ankara schmückte sich mit den Spielern und ihrem damaligen Trainer Fatih Terim. Inzwischen hat sich die Galatasaray-Manie zwar wieder gelegt. Doch zu Beginn der neuen Saison verbinden die Türken mit keiner anderen Mannschaft so viele Hoffnungen. Dieser Druck könnte zu einem Fluch für Galatasaray werden.

Seit Jahren bildet Galatasaray mit zwei anderen Istanbuler Klubs - Besiktas und Fenerbahce - ein Dreigestirn des türkischen Fußballs, das die Meisterschaft meist unter sich ausmacht. Seit 1996 hat sich "Cim Bom", wie Galatasaray genannt wird, den Titel jedoch nicht mehr nehmen lassen. Diese Erfolgsserie ist eng verbunden mit den Namen des Trainers Fatih Terim und des Stürmers Hakan Sükür. Galatasaray wurde mit ihnen fast zu einem Synonym für den türkischen Fußball. Es wird sogar über staatliche Finanzbeihilfen für den hoch verschuldeten Verein diskutiert - bei keiner anderen Spitzenmannschaft wäre das denkbar.

Doch nun haben Terim und Sükür die Türkei verlassen und sind nach Italien gegangen. Zählt man noch den Verlust von Sükürs Stürmerkollegen Arif Erdem hinzu, der nach Spanien wechselte, dann bietet Galatasaray ein schwächeres Bild als in der vergangenen Spielzeit. In der Türkei muss sich das neue Team zum ersten Mal zum Saisonstart am 11. August bei einem schwierigen Auswärtsspiel im südwesttürkischen Denizli beweisen. International will Galatasaray in der Champions-League mitmischen. Gestern trat die Mannschaft im Qualifikationsspiel beim FC St. Gallen an (bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht beendet). An eine ruhige Vorbereitung war nicht zu denken: Am Vorabend durchsuchte die Polizei nach einem Bombenalarm das Mannschaftshotel, fand aber keinen Sprengstoff. In einem Warnschreiben hatte es geheißen, mit der Bombe solle auf die politische Situation in der Türkei aufmerksam gemacht werden.

Das gesteckte Ziel empfinden nur die als vermessen, die diesen außergewöhnlichen Verein mit gewöhnlichen Maßstäben messen: Galatasaray will ins Finale. Das wird nicht einfach werden. Zwar ist Galatasaray auch ohne Terim und Sükür eine Spitzenmannschaft im türkischen Fußball, doch von dem Klub wird eben ein wenig mehr erwartet. "Die Fans haben sich an Siege und Pokale gewöhnt", schrieb eine türkische Zeitung. "Ein Versagen werden sie wohl kaum akzeptieren." Keine leichte Aufgabe also für den neuen Trainer, den Rumänen Mircea Lucescu, der als Nachfolger von Fatih Terim ohnehin besonders kritisch beobachtet wird.

Neueinkäufe sollen die Lücken schließen. Auf die Schulden des Klubs wurde dabei keine Rücksicht genommen. Allein für den Brasilianer Mario Jardel, der dem FC Porto abgekauft wurde, bezahlte der Türkische Meister 28 Millionen US-Dollar. Der Stürmer Serkan Aykut kam für weitere sieben Millionen Dollar von Samsunspor. Während der Saisonvorbereitungen bereiteten die Neuzugänge aber schon Kopfzerbrechen. So kritisierten türkische Zeitungen, Jardel sei völlig außer Form. Trainer Lucescu sorgte für Wirbel, weil er sich abfällig über Ex-Trainer Terim und Hakan Sükür geäußert haben soll, und das ist in der Türkei immer noch so etwas wie Majestätsbeleidigung.

Doch dies ist für Trainer und Spieler von Galatasaray erst der Anfang: Sie werden damit zurecht kommen müssen, dass die eigenen Fans nichts als Siege erwarten - und der Rest der Fußballnation klammheimlich darauf hofft, dass der in den letzten Jahren unbesiegbare Klub stolpert.

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