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Wer bleibt sauber? Aus dem olympischen Sprintfinale von London stehen mehrere Teilnehmer unter Dopingverdacht.

© AFP

Gedopte Leichtathleten: Tyson Gay und Asafa Powell - Täter oder Opfer?

Die Leichtathletik wird gleich von mehreren Skandalen erschüttert – doch die Dopingfälle von Tyson Gay und Asafa Powell sind bei genauer Betrachtung sehr unterschiedlich.

Als Tyson Gay der Weltöffentlichkeit eine positive Dopingprobe gestehen musste, spielte Usain Bolt mit ein paar Sportskollegen Domino. So funktioniert das Spiel in der Sprinterszene der Leichtathletik gerade: Bolt macht Spaß, um ihn herum fallen die Kollegen um.

Wenn es so weiter geht, wird es ein einsames Rennen am 11. August in Moskau, denn Olympiasieger und Weltrekordhalter Bolt aus Jamaika verliert gerade wichtige Konkurrenten für das 100-Meter-Finale bei der Weltmeisterschaft in Moskau. Die Ereignisse überschlugen sich am Sonntag, weshalb der Tag schon als schwarzer Sonntag der Leichtathletik bezeichnet wird. Es kommt schließlich nicht oft vor, dass gleich mehrere der allerschnellsten Läufer der Welt am selben Tag positive Dopingproben bekannt geben.

Tyson Gay: Jahresschnellster über 100 Meter

Es begann mit Tyson Gay, mit 9,75 Sekunden derzeit Jahresschnellster über 100 Meter. In einer Telefonkonferenz erzählte der 30 Jahre alte US-Amerikaner unter Tränen von einem positiven Dopingtest. Gays Leistungen in diesem Jahr hatten ihn nicht gerade unverdächtig gemacht, bemerkenswert waren seine Zeiten vor allem nach einer elfmonatigen Verletzungspause und einer Hüftoperation. Der Fall Tyson Gay wäre für sich schon eine Sensation gewesen. Gay war das Versprechen für ein großes Duell. Doch der Sonntagabend war noch nicht zu Ende.

Nur wenige Stunden später wurden die positiven Dopingtests von fünf jamaikanischen Athleten öffentlich, unter ihnen niemand Geringeres als Asafa Powell, der ehemalige Weltrekordhalter über 100 Meter. Der „Spiegel“ hatte eine Geschichte über Powell einmal „Die letzte Hoffnung“ betitelt. Powell, höflich, ruhig, nicht vom Testosteron aufgekratzt wie viele seiner US-amerikanischen Sprinterkollegen sollte die dopingverseuchten 100 Meter retten. Sein Vater ist Pfarrer, er selbst spielte in der Kirche im Orchester mit. Nun also auch er? Und mit ihm noch Staffel-Olympiasiegerin Sherone Simpson und vielleicht auch noch Nesta Carter?

Was auf den ersten Blick wie ein dunkles Gesamtbild wirkte, sieht auf den zweiten etwas anders aus. Jedenfalls nicht nach einem großen Schlag gegen skrupellose Betrüger.

Es handelt sich jedenfalls um völlig verschiedene Fälle. Tyson Gay wurde im Training positiv getestet, die Jamaikaner im Wettkampf, bei ihren nationalen Meisterschaften im Juni. Bei Powell wurde Oxilofrin gefunden. Diese Substanz ist nur im Wettkampf verboten. Vor allem gilt sie nicht gerade als letzter Schrei auf dem Markt der Manipulationsmöglichkeiten. „Oxilofrin gehört zu den Substanzen, die verhältnismäßig leicht nachzuweisen sind. Der Effekt dieses Mittels ist überschaubar“, sagt Mario Thevis, Professor für präventive Dopingforschung an der Deutschen Sporthochschule in Köln.

Wurden die Jamaikaner Opfer eines verunreinigten Nahrungsergänzungsmittels?

Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Jamaikaner, einige oder alle, nicht zwangsläufig Dopingtäter im klassischen Sinne sind, sondern vielleicht auch Opfer eines verunreinigten Nahrungsergänzungsmittels.

Vor kurzem erst hatte es einen Fall mit Oxilofrin gegeben. Beim australischen Boxer Sam Soliman war nach seinem Sieg gegen Felix Sturm aus Köln Oxilofrin im Körper nachgewiesen worden, sein Sieg wurde ihm daraufhin aberkannt. Seine Schuld wurde jedoch gemildert, da ihm abgenommen wurde, sich die Substanz über ein verunreinigtes Nahrungsergänzungsmittel eingefangen zu haben.

Und schon einmal gab es im jamaikanischen Sprintgewerbe einen ähnlichen Fall, 2009, seinerzeit war Yohan Blake betroffen, der zwei Jahre später Weltmeister über 100 Meter wurde und bei den Olympischen Spielen in London die Silbermedaille hinter Bolt gewann. Das bei ihm nachgewiesene Aufputschmittel Methylhexanamin sei durch ein verunreinigtes Nahrungsergänzungsmittel in seinen Körper gelangt. Er erhielt nur eine dreimonatige Sperre. Bei dem Nahrungsergänzungsmittel soll es sich um den selben Hersteller handeln wie im Fall um Sam Soliman.

Und immer wieder die Frage: Was ist mit Usain Bolt?

Nicht alle Sprintkollegen wollen nun jedoch so einfach zur Tagesordnung übergehen. Und immer wieder geht es um die Frage: Was ist mit Usain Bolt? „Als normaldenkender Athlet sage ich, wenn man eins und eins zusammenzählt und sieht, dass viele Läufer, die langsamer als er waren, erwischt wurden, warum soll der schnellste Mann dann sauber sein?“, fragte Julian Reus, der Deutsche Meister über 100 Meter, im Gespräch mit der Deutschen Presseagentur.

Und viele Fragen konzentrieren sich auf Jamaika. Der Anti-Doping-Kampf auf Jamaika galt lange Jahre als unterfinanziert und unterentwickelt. Vor allem nach den Olympischen Spielen von Peking 2008, als die Sprinter und Hürdenläufer sechs Goldmedaillen gewannen, wuchsen die Zweifel an den ihren Leistungen. Im selben Jahr verabschiedete die jamaikanische Regierung ein Anti-Doping-Gesetz, in dem auch die Gründung der jamaikanischen Anti-Doping-Kommission (Jadco) festgeschrieben wurde. Inzwischen aber entspreche die Arbeit den Anforderungen der Welt-Anti-Doping-Agentur, erklärte der Wada-Generalsekretär David Howman bereits vor drei Jahren. In diesem Jahr hat Jadco nun inklusive der Sprinterin Veronica Campbell-Brown sechs positive Fälle veröffentlicht. „Wir haben einen Anti-Doping-Prozedur in Jamaika eingerichtet und das gehört dazu“, sagte der Jadco-Vorsitzende Herb Elliot der jamaikanischen Zeitung „The Gleaner“, „allen, die sich darüber beschwert haben, wir würden in Jamaika nicht testen, haben wir das Gegenteil bewiesen.“

Unmittelbar nach dem Bekanntwerden der positiven Dopingproben der jamaikanischen Stars Asafa Powell und Sherone Simpson hat die italienische Polizei in Italien einen Trainer des Klubs verhaftet, für den Powell und Simpson laufen. „Die italienischen Behörden haben ein Hotelzimmer durchsucht und denjenigen festgenommen, der Asafa die Nahrungsergänzungsmittel gegeben hat“, twitterte Tara Playfair-Scott aus dem Managementteam von Asafa Powell.

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