zum Hauptinhalt

Sport: Gefangen im Hotelzimmer

Der Fanatismus im Basketball-Entwicklungsland China verstört Dirk Nowitzki

Nachdem Dirk Nowitzki seine Arbeit getan hatte, fing der Stress erst richtig an. Deutschlands Basketball-Superstar hatte sein Team beim Stankovic Continental Cup in China nach dem Auftaktsieg gegen die Gastgeber gerade zu einem hauchdünnen 76:75 gegen Brasilien geführt. Danach aber flüchtete der Star der Dallas Mavericks aus der NBA mit einem Sprint vor den kreischenden Autogrammjägern in die Kabine.

Den ganzen Tag über hatte Nowitzki sich kaum aus seinem Zimmer des Grand Hotels im ostchinesischen Nanjing getraut. Vor dem Eingang, im Foyer, selbst auf dem Gang lauerten die Fans auf ihre Chance, eine Unterschrift oder gar ein Foto des mit Abstand besten Spielers dieses Sechs-Nationen-Turniers zu ergattern. Selbst auf seinem Zimmer blieb Dirk Nowitzki nicht ungestört, berichtete der Sportdirektor des Deutschen Basketball-Bundes Wolfgang Brenscheidt in der Halbzeitpause des Brasilien-Matches. Nowitzki lag gerade auf dem Bett und hörte Musik, als mehrere Zimmermädchen hineinstürmten und um Autogramme baten.

Spätestens da war dem Deutschen die Lust vergangen auf einen ungestörten Spaziergang durch die einstige chinesische Hauptstadt Nanjing mit ihren malerischen Pagoden, jahrhundertealten buddhistischen Tempeln und der längsten erhaltenen Stadtmauer der Welt. Fans gebe es überall, „aber hier sind sie noch fanatischer“, stellte Nowitzki verblüfft fest. „Dass Basketball hier so einen Stellenwert hat, habe ich nicht erwartet. Wenn ich durch die Hotellobby laufe, sind sofort 20 Leute um mich rum und drücken, fast so wie bei einem Popstar. Alle stürzen auf einen ein, das ist schon fast beängstigend.“

Auch Xiaomei, Jing und Hong haben in der glühenden Mittagshitze von Nanjing vor dem Hotel auf ihren Star gewartet. Als eine Deutsche mit einem Würzburg-T-Shirt vorbeiläuft, geraten die Schülerinnen schon in Extase. „Du kommst aus Dirks Heimat. Kennst Du ihn?“

Soviel ungehemmte Verehrung nervt den öffentlichkeitsscheuen 28-Jährigen, seine Leistung gehemmt hat sie in Asien bislang nicht. Beim 82:73 gegen die Chinesen zeigte Nowitzki seine bislang beste Vorstellung (27 Punkte, zwölf Rebounds) seit er für die WM-Vorbereitung zum deutschen Team gestoßen war. Und auch gegen Brasilien (18 Punkte, 16 Rebounds) war er der Auffälligste im deutschen Spiel. „Dirk ist jetzt endlich angekommen.“ Die Erleichterung über die Leistungssteigerung des deutschen Leitwolfs ist nicht nur bei Robert Garrett, seinem alten Freund aus gemeinsamen Würzburger Bundesligazeiten, zu greifen. Am kommenden Sonnabend beginnt schließlich schon die Weltmeisterschaft in Japan.

Doch gemessen an der Hysterie um den Spieler Nowitzki ist die Aufmerksamkeit für die Spiele in Nanjing verschwindend gering. Selbst der chinesische NBA-Star Yao Ming, immerhin der mit Abstand populärste Sportler des 1,3-Milliarden-Volkes, bekam bei diesem Turnier weniger Applaus als der Würzburger. Und wenn die chinesische Mannschaft nicht spielt, ist die futuristische, 15 000 Zuschauer fassende Halle nicht mal zu einem Viertel gefüllt. Erst im vergangenen Jahr wurde sie zu den Nationalspielen eröffnet.

Dass Profibasketball in China noch am Anfang steht, weiß auch Benedikt von Dohnany, der deutsche Manager der CBA, der Chinese Basketball Association League. Zwar spielen inzwischen auch ausländische Profis hier, die meisten kommen aus den USA, und sie verdienen hier auch gutes Geld, sagt von Dohnany. Rund 25 000 Dollar kassieren die Besten pro Monat. Doch aufgrund einer Ausländerbeschränkung dürfen nur zwei Ausländer spielen, und das auch nur in einem Viertel gleichzeitig. Also wird die chinesische Profiliga fast ausschließlich von einheimischen Spielern geprägt, und die haben noch viel zu lernen. Dohnany hofft deshalb auch auf mehr europäische Korbjäger in der CBA, davon könne die ganze Liga profitieren. Schließlich sei der chinesische Basketball mehr vom Europäischen geprägt als vom Amerikanischen. Bislang aber könnten nur die besten drei, vier Teams in der Bundesliga mithalten, räumt von Dohnany ein, der von seinem Büro in Peking die Liga managt.

Eines dieser Teams ist der aktuelle Meister Guangdong Hongyuan, die Tiger aus dem Kanton. Hier spielt auch Yi Jianlian, das größte Talent des Riesenreiches. Hinter ihm sind inzwischen auch die Scouts der NBA her. Bislang aber verweigert der chinesische Verband dem 19-Jährigen die Freigabe. Wahrscheinlich soll sich Yi ganz auf die Nationalmannschaft und die Olympischen Spiele 2008 in Peking konzentrieren.

Spätestens danach aber könnte der 2 Meter 11 große Jüngling auf den Spuren seines Idols Yao Ming wandeln. Gegen Deutschland überzeugte er bereits als reboundstärkster Spieler seines Teams. Und auch Dirk Nowitzki – in vielen Situationen Yis direkter Gegenspieler – war voll des Lobes über das chinesische Talent: „Er hat eine wahnsinnige Athletik, bewegt sich gut trotz seiner Größe und hat auf jeden Fall das Potential für die NBA.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false