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Sport: Gefangen in der Lethargie

Bei Hansa Rostock zeigen nur die Fans noch Emotionen – die Spieler und der Trainer ergeben sich mutlos der Krise

Rostock. Als alles vorbei war und der FC Hansa Rostock wieder eine Hoffnung weniger hatte, setzte sich Cheftrainer Juri Schlünz vor ein Mikrofon im Rostocker Ostseestadion und sagte mit ausdrucksloser Stimme: „Wir waren heute schlecht. Wir haben verdient verloren. Wir gehen jetzt harten Zeiten entgegen.“ Dann schwieg Schlünz. Und niemand im Raum hatte eine Frage an den Mann, der eigentlich angetreten war, den FC Hansa vor dem Abstieg zu retten.

Nach der 0:1-Niederlage gegen Hertha BSC ist der Verein Tabellenletzter. Und er verhält sich auch so: lethargisch, mutlos, fast ohne Vertrauen in die Zukunft. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagte Stürmer Martin Max. Und Manfred Wimmer befand die sechste Niederlage in Folge schlicht als „grottenschlecht“. Der Vorstandschef erklärte: „Wir sind jetzt Letzter. Letzter heißt Letzter, dahinter kommt nichts mehr.“

Wimmer ist der Einzige, der noch deutliche Worte findet. Er glaubt, „dass einige Spieler unsere Lage nicht begriffen haben“. Nach seiner Rechnung machen „fünf Punkte aus zehn Spielen einen halben Zähler pro Spiel“. Am Saisonende wären das 17 Punkte. Das reicht wohl nicht zum Klassenerhalt.

Ohne Mut, ohne Vertrauen in die Zukunft. So spielte die Mannschaft. Einsatzfreude zeigten Rostocks Spieler nur, als übermütige Trunkenbolde auf das Spielfeld rannten. Anstelle der fußlahmen Ordner bändigten die Hansaspieler, allen voran Kapitän Mathias Schober, die Störenfriede (siehe auch „Nachspiel“ auf Seite 21). Dass aber drei ausrastende Fans mehr Wirbel verursachten als elf Hansa-Spieler, passte zum Rostocker Gesamteindruck.

„Wir sind sicher nicht die schlechteste, aber die dümmste Mannschaft.“ Diese Erkenntnis hatte sich Torwart Schober erarbeitet. Er verhinderte mit seinen vielen Paraden eine höhere Niederlage und wehrte gleich drei erstklassige Chancen von Fredi Bobic ab. Bei einigen seiner Vorderleute vermisste der Torhüter dagegen die professionelle Einstellung. „Das geht schon bei der Wahl des richtigen Schuhwerks los“, schimpfte Schober. Einige Spieler hatten offenbar die falschen Stollen ausgesucht und zunächst Standschwierigkeiten auf dem feuchten Rasen. Allerdings lief auch Schober bei nasskalter Witterung in kurzer Turnhose auf und wechselte erst nach einer leichten Zerrung zur langen Hose.

Trainer Schlünz überlegt nun, ob er „vielleicht noch mal etwas intensiver mit einigen Spielern reden muss“. Angesichts der prekären Lage ist dies nicht gerade eine umwälzende Maßnahme. Doch auch die Spieler sind sich über den Weg aus der Krise nicht einig. Schober fordert, „jetzt zu kratzen, zu beißen und zu treten“. Der junge Uwe Möhrle, der gegen Berlin erstmals 90 Minuten spielte und Jochen Kientz in der Abwehr recht ordentlich vertrat, hingegen sagt: „Wir müssen jetzt vor allem ruhig bleiben.“

Vorstandschef Wimmer wurde gefragt, ob man es nicht einmal mit der Berliner Variante eines Ultimatums versuchen wolle. „So etwas wie Hertha machen wir nicht.“ Nach einer kurzen Pause fügte er an: „Und wenn, dann nur an einige Spieler.“

Dirk Böttcher

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