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Sport: Gefeierter Flegel

Lleyton Hewitt bezwingt Andy Roddick im Halbfinale von Melbourne und kann nun am Sonntag als erster Australier seit 1978 die Australian Open gewinnen

Wer weiß, was Lleyton Hewitt macht, wenn er das Endspiel der Australian Open gewinnen sollte. Nach dem Halbfinale jedenfalls, da kniete er nieder und küsste den Boden der Rod-Laver-Arena und schlug sich anschließend mit der Faust vor die linke Brustseite. Das war ein wenig theatralisch, illustrierte aber auch die überschwängliche Freude des Australiers am Freitag. Er hatte 3:6, 7:6 (7:3), 7:6 (7:4), 6:1 gegen den Amerikaner Andy Roddick gewonnen und trifft nun am Sonntag auf den Russen Marat Safin. Hewitt hat sich nach insgesamt 17:32 Stunden in sechs Matches nun die Chance eröffnet, als erster Australier seit Mark Edmondson 1978 den Titel zu gewinnen, der ihm mehr bedeutet als jeder andere.

Dabei hatte Hewitt zu Beginn des Spiels Probleme. Roddicks gewaltige Aufschläge kamen mit Geschwindigkeiten von bis zu 231 Stundenkilometern. Sieben Breakchancen erarbeitete Hewitt sich im ersten Satz, sieben Mal wuchtete Roddick den Ball so ins Aufschlagfeld, dass Hewitt keine Erwiderung fand. Im zweiten Spiel des zweiten Satzes schien sich Roddick noch zu steigern: Vier Aufschläge, vier Asse in Folge. „Ich habe den Sturm überstanden“, sagte Hewitt später. Im Tiebreak buchte er nämlich dann alle Punkte bei Roddicks Aufschlag und steckte im dritten Satz sogar ein 0:3 weg. Roddick entschied sich ein ums andere Mal für die falsche taktische Variante, lief demzufolge häufig in Hewitts Konter und leistete sich 50 unerzwungene Fehler.

Hewitt ist nun fast am Ziel seines Traums, den er schon lange hegt. Das letzte Endspiel mit australischer Beteiligung, das von Pat Cash gegen den Schweden Mats Wilander, hat er noch vor seinem siebten Geburtstag zu Hause in Adelaide am Fernseher verfolgt.

In mancher Hinsicht sei es sicher gut, dass Roger Federer im anderen Halbfinale gegen Marat Safin verloren habe, sagt Hewitt. Denn im vergangenen Jahr hat er alle fünf Begegnungen gegen Federer als Verlierer beendet. Aber um Federer zu bezwingen, sei ein „höllisch guter Spieler in einem höllischen guten Spiel“ notwendig gewesen. Vor Safin habe er also großen Respekt. Trotzdem, für Hewitt zählt nur der Titel bei dem Turnier in Melbourne, für das er sich noch vor seinem 16. Geburtstag 1997 als jüngster Spieler in der Geschichte erstmals qualifizierte. Gegen Safin steht seine Bilanz ausgeglichen bei 5:5, jeder gewann eines der beiden Matches gegeneinander im vergangenen Jahr. „Marat spielt extrem gut, und, genau wie ich, explodiert er auch einmal auf dem Platz, kann sich dann aber wieder konzentrieren.“

Safin will im dritten Anlauf nach Endspielniederlagen im Vorjahr und 2002 endlich in Melbourne gewinnen, macht sich aber keine Illusionen darüber, was ihm bevorsteht: „Lleyton spielt vor seinen eigenen Zuschauern, das wird überhaupt nicht einfach.“ Obwohl sie ihn wegen seiner manchmal flegelhaften Art lange in Australien nicht so ins Herz geschlossen haben wie ihren Tennisliebling Patrick Rafter, der 2001 im Halbfinale stand. Das aber hat sich spätestens seit Freitag geändert. Da feierten die Australier ihren neuen Liebling. Und am Sonntag werden bestimmt alle 20 Millionen Australier im 100. Jubiläumsjahr des Turniers Lleyton Hewitt die Daumen drücken.

Alexander Hofmann[Melbourne]

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