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Kapitän in Erklärungsnot. Die Gesprächsführung von Fabian Lustenberger mit den Hertha-Fans sorgte für Kritik aus dem Verein. Foto: nph

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Sport: Gefühlige Gespräche

Hertha lässt sich vom Krisengerede nicht beirren, reagiert aber sensibel auf die Kritik der letzten Tage.

Berlin - Am Tag danach bestand Redebedarf bei Hertha BSC. Trainer Jos Luhukay sprach auf dem Trainingsplatz fast eine Viertelstunde zur Mannschaft, dann über 20 Minuten mit Präsident Werner Gegenbauer und noch einmal fast zehn Minuten mit Kapitän Fabian Lustenberger. „Ich spreche auch unter der Woche viel“, sagte Luhukay später, „heute fällt es nur auf, weil es auf dem Platz war.“

Doch dort gab es selten so viel Diskussionsstoff wie nach dem 3:1-Sieg gegen Mainz. Nicht nur, weil Hertha eine Serie von vier sieglosen Pflichtspielen mit einem beeindruckenden Comeback in der zweiten Hälfte beendete und auf einen Europapokalplatz vorrückte. Es waren vor allem die Misstöne, die einen Sieg begleiteten, der doch eigentlich alle Spannungen abfallen lassen sollte .

Da war zunächst das belastete Verhältnis zwischen Mannschaft und Zuschauern. Nach schwacher erster Hälfte und Pfiffen im Olympiastadion diskutierten die Spieler nach Spielende kontrovers darüber, ob sie mit den Fans feiern sollten. Schließlich sprach Kapitän Lustenberger mit den Anhängern in der Ostkurve. Die Aktion wiederum kritisierte Marco Wurzbacher. „Unglaublich, was sich Lusti heute rausgenommen hat“, schrieb das Präsidiumsmitglied, das in der Fankurve gestanden hatte, am Abend bei Twitter. „Ein Kapitän ohne Gespür für die Situation des Vereins. Darüber wird zu reden sein.“

Offenbar hatte Lustenberger zunächst den Fans in den vorderen Reihen den Liebesentzug damit begründet, dass die Mannschaft sich schon beim Pokal-Aus in Kaiserslautern Pfiffe, Beleidigungen und Drohungen anhören musste. Als ihm ein Mikrofon gereicht wurde, um das allen Fans mitzuteilen, bedankte er sich nur für die Unterstützung. Das sorgte für Verwunderung. „Wir sind im Guten auseinandergegangen“, sagte Lustenberger am nächsten Tag. Aber er verzog das Gesicht bei Frage, ob das Team mit der Aktion die falschen Fans getroffen habe. Der harte Kern der Anhänger in der Ostkurve hatte das Team 90 Minuten unterstützt. „Es geht nicht um die Stimmung, die war super.“

Das war sie bei Jos Luhukay nicht. Der Trainer hatte nach dem Sieg im wahrsten Sinne des Wortes auf den Tisch gehauen, zweimal sogar. „Ich muss mich beruhigen“, sagte er am Samstagabend noch, das hatte er am nächsten Tag nur bedingt.

„Nach dem Pokal-Aus war ja fast die Rede von einem Weltuntergang, dabei war die Ausgangsposition in der Liga hervorragend“, beschrieb Luhukay seine Wahrnehmung. „Davon habe ich mich befreien wollen, denn ich lege Herz und Seele hinein.“

Die Kritik zuletzt gehe ihm nicht nahe, sagte er. Aber seine bewegte Mimik und Stimme verrieten erneut das Gegenteil. „Wir sind alle Menschen, keine Maschinen“, sagte er. Schwankungen und Misserfolge gehörten dazu, damit müssten die Spieler umgehen lernen. Auch Ronny, der nach schwacher Leistung und folgerichtiger Auswechslung wütend gegen eine Wasserflasche trat. „Lasst uns ihm das verzeihen“, sagte der Trainer und betonte erneut: „Wir sind Menschen mit Gefühlen.“

Auch Luhukay selbst. Hertha spiele als Aufsteiger meist gefestigt und dominant, das sieht er nicht genug gewürdigt. „Wo steht denn unser Mitaufsteiger Braunschweig?“, fragte er. „Ich habe versucht, die Mannschaft nicht in das Krisengerede hereinzuziehen und ihr gesagt, sie soll auf das Erreichte zurückschauen.“

Damit traf Luhukay offenbar den richtigen Ton. Nicht nur in seiner lauten Halbzeitansprache, auch schon in den Gesprächen davor. Änis Ben-Hatira, spätestens nach seiner Versetzung in die Mittelfeldzentrale der beste Berliner und Torschütze, bedankte sich für eine längere Unterredung unter der Woche. „Er sagte, ich solle mich für meinen Aufwand belohnen“, berichtete Ben-Hatira. „Wir haben uns den Frust von der Seele geballert.“ Nicht nur er, auch Sami Allagui, der ebenfalls in den letzten Tagen länger mit dem Trainer gesprochen hatte. Nach seiner Einwechslung erzielte der Reservist, der im Pokal eine große Chance vergeben hatte, seine Saisontore vier und fünf. „Wir haben das Erfolgserlebnis gebraucht, gesucht und gefunden“, sagte er verschnupft.

Vor allem half dem Team, sich auf seine Stärken zu besinnen. „Wir lassen kaum Torchancen zu“, sagte Luhukay, auch gegen Mainz. Und stimmt die Bewegung in der Offensive und die Aggressivität in der Balleroberung, sind die Berliner in der Lage, schnell nach vorne zu spielen und ihre Chancen effizient zu nutzen.

Doch nach dem Sprung in der Tabelle „verschieben wir die Grenzen nicht“, sagte Luhukay, „als Aufsteiger träumen wir nicht vom Europapokal, nur vom Klassenerhalt“. Da ist es wichtig, dass es bei Hertha nicht nur im Innen-, sondern auch im Außenverhältnis stimmt. „Wir wissen, dass das Umfeld kritisch ist“, sagte Lustenberger. Auch da könnten Gespräche helfen.

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