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Sport: Gegen die eigene Mannschaft

Der 1. FC Union ist auch unter dem neuen Trainer Mirko Votava auf dem Weg nach unten – und jetzt bespucken die Fans sogar die eigenen Spieler

Berlin. Im Gästeblock auf dem Aachener Wall kippte plötzlich die Stimmung. Vor dem Zaun standen die Spieler des Fußball-Zweitligisten 1. FC Union, dahinter die frustrierten Fans. Die 0:3-Niederlage am Freitagabend bei Alemannia Aachen tat weh, natürlich. Als sich aber Torhüter Robert Wulnikowski bei den Union-Fans für die Niederlage entschuldigen wollte, da wurde er von einigen Fans beschimpft und bespuckt. Später sollen die Union-Fans aufeinander losgegangen sein. Es kam zum Streit, eine Frau wurde niedergeschlagen. Die Fans waren am nächsten Tag noch immer verwirrt.

Was ist nur mit dem 1. FC Union passiert? Vier Punkte Vorsprung sind es auf einen Abstiegsplatz. Am Freitag kommt Eintracht Frankfurt ins Stadion an der Alten Försterei, ein Spitzenteam der Zweiten Liga. Was dann den Spielern droht, will man sich gar nicht erst vorstellen.

Dabei ist der Frust der Fans schon fast verständlich. Der Klub hatte im Sommer auf die Erste Liga geschielt – und jetzt droht der Abstieg in die Regionalliga. Kapitän Steffen Menze, der in Aachen in die Mannschaft zurückgekehrt war und dann doch nicht mehr als eine durchschnittliche Leistung zeigte, sagt, dass „wir nicht das Format haben, oben mitzuhalten“. Es gab Tage, da hatte die Liga weit mehr Respekt vor diesem Klub aus dem Osten Berlins. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, da gibt einer wie Menze zu, dass sein Team nicht allzu stark ist. Das ist realistisch – und doch beängstigend. Denn mit dieser Einstellung hat Union keines der vergangenen sieben Zweitliga-Spiele gewinnen können, ist zudem gegen einen Drittligisten aus dem DFB-Pokal geflogen und hat in Mirko Votava bereits den dritten Trainer in den vergangenen vier Wochen an der Seitenlinie stehen.

Für Votava war die Niederlage ein schlechter Einstand. Auf ihn hatten sie in Köpenick gesetzt und auf das gehofft, was die Vereinsführung bei Vorgänger Georgi Wassilew so vermisste: Kommunikation. Nun sagt Votava: „An meiner Person wird zu viel aufgehängt.“ Nur: Wenn die Hoffnung in so einer Situation nicht an einem neuen Trainer festgemacht werden kann – an wem dann? Wie Unions Trainer mit der Krise umgehen will, ist eh etwas unklar. Votava hat als Trainer Klubs wie Meppen und Oldenburg trainiert. Aus Berliner Sicht ist das Provinz. Dort ist der Druck sehr viel erträglicher als in der Hauptstadt. Union sieht sich als Alternative zu Hertha BSC. Zweitliga-Mittelmaß ist in Berlin nicht gefragt. Votava muss einfach etwas bewirken. Genau mit diesem Druck hat die Mannschaft Probleme. „Ich kann ihr keine Vorwürfe machen“, sagt Votava. „Wir haben individuelle Fehler gemacht.“ Diese individuellen Fehler aber waren es, die zu drei Gegentoren führten. „Vielleicht hatten wir in der letzten Saison einfach mehr Glück“, sagt Menze. Sie hatten vor allem mehr Selbstvertrauen. Nun sagt Votava: „Was kann es Besseres geben, als jetzt gegen eine Mannschaft wie Frankfurt zu spielen?“ Union ist gegen die Eintracht nicht der Favorit. Das heißt aber noch lange nicht, dass der Druck geringer sein wird – das wird er in dieser Saison überhaupt nicht mehr sein.

André Görke

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