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Frings am Ball

© dpa

Gegen die Türkei: Torsten Frings ist zurück - darf er auch spielen?

Bundestrainer Joachim Löw hat vor dem heutigen EM-Halbfinale gegen die Türkei (20.45 Uhr/ZDF) ein Problem: Vertraut er dem defensiven Mittelfeld aus dem Portugalspiel oder lässt er den wieder spielbereiten Torsten Frings auflaufen?

Vielleicht hat sie ihr Gutes, die lädierte Rippe von Torsten Frings. Die zähen Tage zwischen Viertel- und Halbfinale wollen ausgefüllt sein. Täglich erkundigen sich an die 200 Journalisten aus aller Welt über den Gesundheitszustand der deutschen Nummer acht, die in Wirklichkeit die Nummer sechs ist. Dahinter lauert natürlich eine viel größere Frage – die Systemfrage. Wie wird Deutschland am Mittwoch gegen die Türkei spielen?

Vier Jahre spielte sie im 4-4-2-System, mit Torsten Frings als zentralem defensivem Spieler vor der eigenen Abwehr, der gelegentlich von Michael Ballack flankiert wird. Dann gab es das Portugal-Erlebnis, das vielleicht beste Spiel der Deutschen der letzten vier Jahre. Im Viertelfinale wurde ein 4-5-1-System praktiziert, also mit einer doppelten Absicherung, bestehend aus Thomas Hitzlsperger und Simon Rolfes hinter dem leicht vorgeschobenen Ballack. Was nun, Herr Löw?

Da auf Fragen wie diese keine endgültigen Antworten zu erfahren sind, gehen viele den Umweg über Torsten Frings. Der 31 Jahre alte Bremer hatte schon Minuten nach dem Sieg über Portugal gesagt, dass er keine Angst habe, seinen Stammplatz zu verlieren: „Wenn ich fit bin, spiele ich auch.“ Von dieser Sorte Spieler quillt die deutsche Mannschaft nicht über, ob dieses Selbstbewusstsein sich aber mit den Überlegungen Löws überlappt, ist nicht sicher. Zwar gehe der Bundestrainer davon aus, dass Frings wieder einsetzbar ist, eine klare Aussage traf er aber nicht. Man sei gut gefahren mit dem 4-5-1-System, die Basis aber bilde das 4-4-2-System. Löw habe noch nicht entschieden, ob man mit einer zentralen Spitze, mit zwei oder gar mit drei Angreifern operieren werde. „Wir haben grundsätzlich eine offensive Taktik“, sagte er. „Wenn wir diese ausführen, spielt das System eine untergeordnete Rolle.“

Doch abwegig ist die Debatte nicht. Löw dürfte aufgefallen sein, dass er mit seiner Umstellung hin zu einem verstärkten defensiven zentralen Mittelfeld dem Team einen Gefallen getan hat. „Die Stabilität, die uns das gegeben hat, haben wir auch einmal gebraucht“, sagte Per Mertesacker. Der Innenverteidiger sprach von einem „Schuss Sicherheit“, der der Mannschaft eine gewisse Leichtigkeit zurückgegeben hätte. „Aber ich bin nicht der Trainer, das liegt leider nicht in meiner Hand.“

Aus den Gesprächen mit den Spielern ist herauszuhören, dass sie sich im neuen taktischen System wohlgefühlt haben. Das Team steht kompakter im Mittelfeld, was dem ganzen Gebilde mehr Sicherheit gibt und ihm mehr Mut zum Risiko verleiht. Aus dieser gesicherten Grundordnung heraus wurden wieder mehr vertikale Bälle in die Spitze gespielt. Solche Pässe bergen per se die Gefahr eines Ballverlustes, aber selbst dafür schien das Team gewappnet. Rolfes erwies sich als passsicherer Ballverteiler. Mit seiner Präzision konnte er das Tempo verschärfen und die beiden offensiven Mittelfeldspieler, Schweinsteiger und Podolski, erlaubten sich wagemutige, offensive Laufwege.

Alles hängt an der Rippe von Torsten Frings. Dieser zählt zu den absoluten Führungsspielern. Ihn übergeht man nicht einfach. „Er ist schon ein wichtiger Spieler, es ist möglich, dass Torsten ins Team zurückkehrt“, sagte Löw. Andererseits erinnerte er an die Weisheit: „Never change a winning team.“ Löw ist dafür bekannt, dass ihm der Erfolg der Gemeinschaft wichtiger ist als persönliche Schicksale. Andererseits ging er ein nicht geringes Risiko ein, als er zu Beginn des Turniers trotz des Formrückstandes an verdienten Spielern wie Metzelder und Lehmann festhielt – auch auf Wunsch des Teams. Auch dieses Mal wird Löw hineinhören in die Mannschaft: „Ich wäre als Trainer schlecht beraten, wenn ich das nicht täte.“ Wenn man etwas vorhabe wie gegen Portugal, müsse das auch trainiert werden. Er wird die Spieler teilhaben lassen an seinen Plänen, sie überzeugen. „Die letzte Entscheidung trifft natürlich der Trainer.“

Es könnte so kommen, dass sowohl das neue System überlebt, als auch Frings seinen Platz findet. Es spricht wenig dagegen, Frings an der Seite von Rolfes auflaufen zu lassen. Per Mertesacker gab sich salomonisch: In Bremen habe man auf den lange verletzten Frings gewartet, ehe er den Klub mit seinen Leistungen noch in die Champions League geführt hat. „Und jetzt haben wir auf ihn gewartet, damit er für das Halbfinale fit ist.“ Im Training hat die Rippe der Belastung standgehalten. Frings trug einen Schutzverband.

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