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Sport: Gegen die Vergangenheit

Aachens Karlheinz Pflipsen spielt heute im Pokal gegen Gladbach – und den Ruf, sein Talent verschleudert zu haben

Aachen. Karlheinz Pflipsen sagt, dass die Zeit unter Trainer Holger Fach eine schwierige Phase in seiner Karriere gewesen sei. Die ganze Woche über hat er gut trainiert – das hat sogar der Trainer so gesehen –, aber wenn die Mannschaft am Wochenende ihre Spiele austrug, war Pflipsen nie dabei. „Das war ein Scheiß-Gefühl“, sagt er. Aber es ging nicht anders. Pflipsen hatte nach seiner Rückkehr aus Griechenland keinen neuen Verein gefunden, und bei den Oberliga-Amateuren von Borussia Mönchengladbach trainierte er nur deshalb mit, um sich fit zu halten für einen möglichen Ernstfall. Zweieinhalb Jahre später kämpft er mit Alemannia Aachen um den Aufstieg in die Fußball-Bundesliga, und heute (20.30 Uhr, live in der ARD) spielt er im Pokal-Halbfinale.

Gegen Borussia Mönchengladbach. Und Trainer Holger Fach.

Ohne Fach würde Pflipsen vielleicht gar nicht mehr Fußball spielen. Pflipsen war 31 und arbeitslos, als er den damaligen Amateurtrainer fragte, ob er bei seiner Mannschaft mittrainieren dürfe. Fach sagte ja, „das ist auch nicht selbstverständlich“, findet Pflipsen. Und als sich Jörg Berger im Herbst 2001 nach Pflipsen erkundigte, war es Fach, der dem Trainer der Aachener gesagt hat: „Den musst du nehmen. So einen Fußballer hast du nicht.“ In seinen besten Zeiten wurden Pflipsens Qualitäten mit denen von Andreas Möller verglichen, nicht nur, weil beide auf ähnlichen Positionen spielten. „Er hat eine Riesendynamik, einen guten Schuss, er ist ein wunderbarer Fußballer“, sagt Fach über Pflipsen, mit dem er vier Jahre lang in Mönchengladbach zusammengespielt hat. „Aber natürlich hat er auch seine Schwächen gehabt.“ Andreas Möller hat in seiner Karriere alle Titel gewonnen, die man gewinnen kann; Pflipsen wurde mit Gladbach einmal Pokalsieger. Möller hat 85 Länderspiele bestritten, Pflipsen eins, im Dezember 1993. „Aber vor zehn Jahren war das noch eine ganz andere Kategorie Spieler als die, die heute in der Nationalmannschaft auftauchen“, sagt Fach.

Trotzdem muss Pflipsen mit dem Vorwurf leben, zu wenig aus seinem Talent gemacht zu haben. Dieser Gesamteindruck wird am Ende bleiben, auch wenn er in Aachen inzwischen erfolgreich an einem anderen Bild arbeitet. „Er hat sich verändert“, sagt Jörg Berger. Früher, ergänzt Alemannias Sportdirektor Jörg Schmadtke, „war er nur dann gut, wenn alle um ihn herum gut gespielt haben“. Inzwischen ist Pflipsen derjenige, „der die Ärmel nach oben streift, wenn es nicht läuft“, bestätigt Berger.

So etwas mögen die Zuschauer auf dem Aachener Tivoli, und doch hat es anfangs Vorbehalte gegen Pflipsen gegeben. Die Leute hätten gedacht, der will noch ein bisschen absahnen und sich ein bisschen erholen, erzählt Berger. Aachen verpflichtete ihn zunächst nur bis zum Ende der Saison. Seitdem wurde sein Vertrag zweimal verlängert, inzwischen ist Pflipsen sogar Kapitän.

Karlheinz Pflipsen steht symbolhaft für die Transferpolitik, mit der sich Alemannia Aachen eine überdurchschnittlich starke Zweitligamannschaft zusammengebaut hat. „Das ist unsere Strategie“, sagt Berger. „Wir schauen, wo sich noch Spieler befinden, die in Vergessenheit geraten sind.“ Erik Meijer, den der HSV nicht mehr haben wollte, ist einer von ihnen, Pflipsen oder auch Bachirou Salou, der zuletzt in der sechsten Liga spielte. Mit Salou, Pflipsen, Edwin Bediako und Quido Lanzaat spielen zudem vier ehemalige Gladbacher bei der Alemannia.

Vermutlich ist kein aktueller Spieler der Gladbacher mehr Borusse als Karlheinz Pflipsen. „Es ist das erste Mal, dass ich gegen Borussia spiele“, sagt er. Von der C-Jugend an gehörte Pflipsen dem Verein an, 17 Jahre insgesamt. Heute Abend wird Pflipsen der einzige gebürtige Gladbacher auf dem Platz sein, und noch immer wohnt er in Mönchengladbach. Doch wenn er über den Verein spricht, in dem er groß geworden ist, hört sich das erstaunlich nüchtern an. Pflipsen ist selbst als Kind und in den besten Zeiten der Gladbacher nie Fan gewesen. Und er wird es auch nicht mehr werden.

1999 ist er im Unfrieden geschieden. Borussia war abgestiegen, und es war klar, dass Pflipsen den Verein verlassen würde. Doch als bei der Abschlussfeier die scheidenden Spieler verabschiedet wurden, erwähnte Rainer Bonhof, der Trainer, Pflipsen nicht. Pflipsen ging. „Es gab Punkte, die diskussionswürdig waren“, sagt Aachens Sportdirektor Schmadtke, der damals Kotrainer war. „Aber man muss den Menschen eine Chance geben.“ Es scheint, als habe Pflipsen seine genutzt. Vielleicht, weil es die letzte war.

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