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Sport: Geld spielt keine Rolle

Wie Katar zum Tennisland werden soll

Wenn hier jetzt nicht ganz schnell etwas passiert, wird John Milford aus Australien ziemlich sauer. Seine Hände zittern schon vor Wut. Er war mal kurz zur Toilette und würde jetzt gerne wieder zu seinem Tribünenplatz im Tennisstadion von Doha gehen, aber dieser Ordner lässt ihn nicht. Auf dem Centre Court spielen RichardKrajicek und Goran Ivanisevic, und der Ordner hält eisern eine Kette gespannt, die den Weg versperrt. „Das würde jetzt die Spieler stören“, flüstert der Ordner. Stören? Da unten spielen sie zeitweise sogar Fußball-Tennis. Ist doch nur die Senioren-Serie des Weltverbands ATP, eine Tingeltour für frühere Weltklassespieler. An diesem Wochenende sind sie in Doha, Katar. Und John Milford ist eigentlich nur gekommen, weil abends noch Pat Cash spielt, der frühere australische Spitzenspieler. Es ist ein besonders langer Ballwechsel, aber kurz bevor Milford in die Luft geht, ist er beendet.

Der Australier beruhigt sich schnell wieder. Vielleicht, weil er nichts bezahlt hat für seine Karte. „Ich bin zufällig vorbeigekommen, dann habe ich gefragt, ob es noch eine Karte gibt. Da haben sie mir gleich eine in die Hand gedrückt“, sagt er. Milford ist einer von 300 Zuschauern im Stadion. Die meisten sind Ausländer, und keiner hat etwas bezahlt. Der Eintritt ist frei. So war es auch, als vor wenigen Wochen das Turnier mit den weltbesten Männern und das mit den weltbesten Frauen stattgefunden haben. Die Katari kommen nur zu den wirklich wichtigen Spielen. Beim Frauen-Finale saßen 3000 Zuschauer auf den Rängen, 1000 weitere bekamen keine Karte mehr. Und natürlich berichtete das Fernsehen live.

Geld spielt keine Rolle in Katar. Das Land sitzt auf der drittgrößten Erdgasblase der Welt, Steuern zahlt hier niemand. Scheich Mohammed bin Faleh Al-Thani interessiert es deshalb auch nicht, dass er keine Einnahmen aus Ticketverkäufen hat, den Präsidenten des Tennisverbands von Katar interessieren die vollen Ränge und die Zuschauer an den Fernsehgeräten. Scheich Mohammed steht für den Aufschwung des Tennis in Katar. „Nur Fußball und Basketball sind derzeit beliebter“, sagt Hussein Al Zabadi, Trainer im Tenniscenter Doha. Der Scheich hat auch dafür gesorgt, dass das Frauenturnier in Berlin in diesem Jahr Qatar German Open heißt. Der bisherige Lizenzbesitzer, der Deutsche Tennis-Bund, kann die Verluste nicht mehr tragen. Scheich Mohammed griff zu.

Natürlich hat sein Verband das Turnier gekauft, um damit sein Land zu repräsentieren. Aber das Mitglied der königlichen Herrscherfamilie hat auch enormes Interesse an dem Sport selbst. „Mit ihm ist ein Systemwechsel gekommen“, sagt Al Zabadi. Vor drei Jahren übernahm der Scheich den Verbandsvorsitz, bis dahin gab es nur zwei internationale Turniere in Katar. Jetzt werden neun internationale Turniere in Doha ausgetragen. „Früher hat kaum jemand Tennis gespielt“, sagt Al Zabadi. Der Scheich sorgte dafür, dass weitere Vereine entstanden. Bis dahin gab es nur einen Klub, der auf dem Trainingszentrum in Doha spielte. 20 Plätze sind dort derzeit, für die Asienspiele 2006 werden zehn weitere gebaut. „Alles ist systematischer geworden“, sagt Al Zabadi, der für das irakische Davis-Cup-Team gespielt hat. Vor drei Jahren kam er nach Katar, um Spitzenspieler auszubilden.

Im Moment ist Mohammed Abdulla in der Weltrangliste am besten platziert. Auf Rang 183. An Talenten aber mangelt es nicht in Katar. „Wir haben in der U-18- und in der U-16-Auswahl jeweils vier, fünf gute Spieler“, sagt Al Zabadi. Und auch ältere Spieler hatten durchaus Potenzial. Das Problem ist: „Einige spielen nicht mit dem Herzen. Sie sind zu reich.“ Natürlich gibt es Siegprämien im Tennisverband. Aber wen sollen die motivieren?

Systematisch besuchen Trainer die Schulen, beobachten Sechs- und Siebenjährige im Sportunterricht und überreden die Besten, in die Klubs zu kommen. Vier Talente der U 14 hat der Verband nach Barcelona an die Tennisakademie von Sergi Bruguera geschickt, dem Vater des früheren Weltklassespielers. Zwei sind noch dort, die beiden anderen hatten Heimweh. Alle anderen Verbandsspieler trainieren im Trainingscenter in Doha, das jeden erdenklichen Komfort bietet. Trotz der guten Möglichkeiten wird es noch ein paar Jahre dauern, bis ein Tennisspieler zum populärsten Sportler seines Landes aufsteigt. Bis jetzt führt Khalid Al-Atthya die Beliebtheitsskala an. Der ist eigentlich Rallyefahrer. Bei den Olympischen Spielen in Athen aber hat er eine Bronzemedaille gewonnen. Im Schießen.

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