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Fanweisheiten. Profisport und Finanzen sind untrennbar miteinander verbunden.

© IMAGO

Geld und Fußball: Legt die Gehälter offen!

Europas Fußball steckt in der Schuldenfalle, weil die Klubs im Dunklen wirtschaften. Transparenz muss her. Ein Essay.

Von Christian Hönicke

Über Geld spricht man im Fußball nicht. Als der „Spiegel“ erfuhr, dass der brasilianische Mittelfeldspieler Diego beim Volkswagen-Konzernklub VfL Wolfsburg ein Grundgehalt von 8,2 Millionen Euro überwiesen bekommt, zeigte sich Javier Garcia Sanz wenig begeistert. Obwohl sein eigenes Gehalt von 7,7 Millionen Euro in der Konzernbilanz veröffentlicht wird, wollte das VW-Vorstandsmitglied die Bezüge der Profikicker lieber weiter hüten wie ein Staatsgeheimnis. Solche Indiskretionen würden dem gesamten Profifußball schaden, erklärte er erzürnt. Dabei ist es genau umgekehrt: Geheimniskrämerei und Schattenwirtschaft schaden dem Profifußball. Es wird Zeit, endlich über Geld zu reden.

Mehr als 20 Milliarden Euro Schulden haben Europas Fußballklubs angehäuft, Tendenz steigend. Die Ausgaben für die Spieler sind mit neun Milliarden pro Jahr der größte Kostentreiber. Deswegen will Uefa-Präsident Michel Platini mit seinem „Financial Fairplay“ gegensteuern. Das Programm soll die Klubs dazu bringen, künftig nicht mehr Geld auszugeben, als sie einnehmen. Ein überfälliger Schritt in Richtung Konsolidierung, wenn es auch der zweite vor dem ersten ist. Fairplay lässt sich nur durchsetzen, wenn vorher Transparenz herrscht. Angefangen bei der Veröffentlichung der Spielergehälter.

In der kleinen tschechischen Liga brach man in dieser Woche dieses Tabu. Der FK Teplice veröffentlichte zwar nicht die exakten Gehälter, aber immerhin die Tarifgruppen seines Kaders. So konnte jeder sehen, dass Nachwuchsspieler etwa 400 Euro Grundgehalt pro Monat verdienen, Spitzenspieler etwa 3500 Euro brutto. „Wir wollen ein maximal transparenter Verein sein und möchten keine Spekulationen“, erklärte Vereinschef Pavel Sedlbauer.

Dem Beispiel Teplice werden ohne Zwang wohl wenige folgen. Der Blick zurück nach Wolfsburg fördert die bizarre Realität zutage: Längst verdienen Fußballer genauso viel wie Wirtschaftsbosse, manchmal sogar mehr. Seit dem Bosman-Urteil und der Liberalisierung des Transfermarkts in Europa sind die Klubs zu Geiseln der Spieler und ihrer Berater geworden, die die Preise in immer neue Höhen treiben. Doch während die Konzernmanager wegen ihrer Boni immer mehr unter Rechtfertigungsdruck geraten, dürfen die Spitzenverdiener in kurzen Hosen ungeniert abkassieren, ohne dass jemand auch nur weiß, wie viel sie eigentlich genau einstecken. Das passt nicht mehr in unsere Zeit.

Die Vereinigung der Vertragsfußballer (VdV) verwies nach dem Fall Teplice nicht ohne Eigennutz darauf, dass die Offenlegung von Gehältern nicht mit dem deutschen Arbeitsrecht vereinbar sei. Das stimmt zwar, in Gehaltsfragen gilt sogar EU-weiter Datenschutz. In Deutschland liegt für die Publikmachung der Gehälter, zumindest deren Strukturen, aber ein auch begründetes allgemeines Interesse vor. Mag die Bundesliga im Vergleich zu anderen Ländern schon sehr solide wirtschaften – die Konten der Kicker werden trotzdem zu mehr als einem Drittel mit öffentlichen Mitteln gefüllt.

Wer von der Öffentlichkeit unterstützt wird, ist rechenschaftspflichtig

Etwa 400 Millionen Euro jährlich werden hierzulande aus öffentlichen Kassen in den Profifußball gepumpt. Im Namen des deutschen Volkes zahlen ARD und ZDF fast 300 Millionen davon für Übertragungsrechte (Bundesliga, Champions League, DFB-Pokal, Nationalelf, EM, WM), hinzu kommen öffentliche Leistungen wie Polizeieinsätze bei Spielen. Bundestagspräsident Norbert Lammert kritisierte in der „Welt“: „Der Gebührenzahler trägt zur Finanzierung von Traumgehältern bei. Das muss sich dringend ändern.“

In anderen europäischen Ländern wird der Profifußball ähnlich alimentiert, etwa in Spanien, wo den Klubs ihre fast 800 Millionen Euro Steuerschulden erlassen werden sollen. In Italien dürfen die Klubs Transferverluste von der Steuer absetzen. Auch in den Niederlanden werden Vereine wie PSV Eindhoven offenbar mit öffentlichem Geld unterstützt. Wer weitersucht, wird kaum ein Land in Europa finden, in dem der Spitzenfußball nicht am Tropf des Staates hängt.

Das lässt sich – zum Teil wegen laufender Verträge, zum Teil wegen bestehender Gesetze – nicht von heute auf morgen ändern. Doch wer von der Öffentlichkeit unterstützt wird, ist der Öffentlichkeit zumindest rechenschaftspflichtig.

Dazu müssen als erstes die Geldströme aufgedeckt werden. Und zwar, um in der Bundesliga zu bleiben, ganz oben beginnend: Über die Summen, die ARD und ZDF in den Fußball stecken, sind bis heute nur Schätzungen bekannt. Das hat etwas von Unterwelt, es riecht nach Hinterzimmer. So setzt sich die Verschwiegenheitskultur auch bei Ablösesummen und Gehältern fort und schafft ein kaum zu durchblickendes Geflecht, in dem Berater, Investoren und Teilhaber von Transfers profitieren und finanzielle Rechte an Spielern halten.

Auch die Verhältnisse in den Klubs sind oft selbst für Experten kaum nachvollziehbar. Millionenbeträge versickern in komplizierten Strukturen mit etlichen Tochterfirmen, in Notlagen helfen geheime Finanzspritzen noch geheimerer Gönner.

Um effizient zu werden und dauerhaft eigenständig überleben zu können, muss der Spitzenfußball diesen Schleier abwerfen. Offenheit erhöht den Druck zum verantwortungsvollen Wirtschaften und verhindert dubiose Geschäftspraktiken. Im kleinen Teplice erinnerte sich Sportdirektor Frantisek Hrdlicka an Zeiten, als hohe Boni nur dafür gezahlt wurden, dass der Spieler einen Vertrag unterschrieb, ganz ohne Leistungsklausel. Das sei heute nicht mehr möglich – der Transparenz sei Dank.

Im nordamerikanischen Sport kann man über Teplice nur lachen. Dort wird die Öffentlichkeit längst über die Einkünfte der Spieler informiert. Die Ligen zwingen die Klubs dazu, um unseriöses Handeln zu verhindern. Mit Erfolg, denn Insolvenzen im US-Sport sind äußerst selten. Die Klubs sind einem knallharten Kalkulationsdruck unterworfen, am Ende fliegen die Bälle und Pucks nur, wenn es sich auch rechnet. Um der Verschuldung entgegen zu wirken, wurde in den US-Profiligen zudem schon vor längerer Zeit eine Budgetbegrenzung eingeführt – ausgenommen im Baseball. Der „Salary Cap“ regelt den Betrag, den die Vereine höchstens für Spielergehälter ausgeben dürfen. So wird auch das Bilden von dominanten Teams voller Stars erschwert und die Chancengleichheit erhöht.

Lange haben Europas Fußballer die Nase gerümpft über den nordamerikanischen Sportzirkus. Nun erkennen sie langsam, dass manches auch hier Sinn macht. Vor einem Monat haben sich die verschwenderischen englischen Klubs auf einen „Salary Cap“ geeinigt, wenn auch erstmal in abgeschwächter Form.

Eine Gehaltsobergrenze muss mittelfristig auch für den Rest Europas her, um den Profifußball vor sich selbst zu retten. Für den Anfang reicht es aber auch schon, wenn überhaupt erstmal offen über Geld gesprochen wird.

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