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Tragischer Held. Georgios Karagounis, 35, schoss das Siegtor gegen Russland, aber wird das Viertelfinale gelbgesperrt verpassen.

© REUTERS

Gesperrt gegen Deutschland: Karagounis - Griechenlands tragischer Held

Georgios Karagounis schoss die Griechen ins Viertelfinale, darf dort jedoch gelbgesperrt nur zuschauen - wie bereits beim EM-Finale 2004. Noch aber klammert er sich an eine letzte kleine Hoffnung.

Georgios Karagounis wusste kaum noch wohin mit sich. Seine Mimik und Gestik, so machte es den Eindruck, reichten nicht aus, um all die Emotionen wiederzugeben, die er gerade durchlitt. Ärger und Wut – darüber, dass Schiedsrichter Johan Eriksson in der 61. Minute nach einem elfmeterwürdigen Foul nicht auf Strafstoß für Griechenland entschieden hatte. Fassungslosigkeit, Verzweiflung und Trauer, weil der Referee anstatt dessen eine Schwalbe des griechischen Kapitäns ausgemacht hatte, und diese sogar mit einer Gelben Karte ahndete. Eine Fehlentscheidung. Für Karagounis war es die zweite Verwarnung im laufenden Turnier, und ganz gleich wie das Spiel gegen Russland an diesem Abend ausgehen würde, eines stand damit fest: Im möglichen Viertelfinale wäre Karagounis gesperrt. Er muss sich gefühlt haben wie der Protagonist in einem schlechten Scherz, schon 2004 verpasste Karagounis das Endspiel der EM, weil er im Halbfinale die zweite Gelbe Karte gesehen hatte – drei Minuten vor Ende der regulären Spielzeit.

Die Partie gegen Russland war eine besondere für Georgios Karagounis, in vielerlei Hinsicht. Zum 120. Mal trug er das Nationaltrikot der Griechen, zusammen mit seinem früheren Teamkollegen Theodoros Zagorakis ist er nun Rekordnationalspieler. Der alleinige Rekord wird ihm dank seiner Gelb-Sperre vermutlich verwehrt bleiben. Karagounis ist 35 Jahre alt, die EM wird sein letztes großes Turnier sein. Und ein Weiterkommen gegen Deutschland gilt als unwahrscheinlich.

Aber selbst wenn es sein letztes Länderspiel gewesen sein sollte, hätte sich Karagounis mit einer letzten Heldentat verabschiedet. Denn bis zur Nachspielzeit der ersten Hälfte sah es nicht so aus, als dürften sich die Griechen große Hoffnungen auf das Viertelfinale machen, im Gegenteil. Nach einer hektischen Anfangsphase dominierten die Russen das Spiel und hatten Chance um Chance. Einzig: Sie trafen das Tor nicht. Griechenland indes zog sich immer weiter zurück, ihr Auftritt verkam zusehends zu einer Hommage an die Ära Rehhagel. Passend dazu traf Karagounis, einer von zwei verbliebenen Europameistern, nach einem Katastrophenfehler der Russen völlig überraschend zur 1:0-Führung. Es sollte das einzige Tor des Spiels bleiben.

Nach seiner Gelben Karte jedoch verlor Karagounis die Fassung, er haderte mit dem Schiedsrichtergespann, gestikulierte fuchsteufelswild und raufte sich minutenlang die Haare. Trainer Fernando Santos reagierte und nahm seinen Kapitän vom Feld.

Wer hätte den Griechen schon zugetraut, dass sie die Vorrunde überstehen würden? Karagounis selbst war einer der wenigen: „Alles Gerede ist pure Theorie, auch Experten irren sich“, gab er sich trotzig, „wir können eine Menge erreichen.“ Er weiß wovon er spricht, schließlich war er dabei, damals, 2004, als Griechenland das Unmögliche möglich machte. Karagounis höchstselbst erzielte das frühe 1:0 im Auftaktsieg gegen Gastgeber Portugal, den späteren Finalgegner.

„Wir geben nie auf, egal was passiert“, diktierte der stolze Siegtorschütze den Reportern nach dem Abfiff. „Ich danke Gott, dass er uns diesen Moment gegeben hat.“ Es sei eine wichtige Nacht gewesen für das von der Finankrise gebeutelte Griechenland. Auch Torwart Michalis Sifakis sprach wohl von weit mehr als nur Fußball, als er sagte: „Wir mögen diese Situation, wenn alle auf uns herumhacken – daran wachsen wir.“ Mit dem Einzug in das Viertelfinale bescherten Karagounis und Sifakis ihren Landsleute in der Nacht zu Sonntag jedenfalls endlich wieder einen Grund zum Feiern.

„Vielleicht schaut sich die Uefa die Szene noch mal an“, hofft Griechenlands tragischer Held. Der griechische Fußball-Verband jedenfalls erwägt ein Gnadengesuch. „Wir werden uns das Video ansehen und dann entscheiden, ob wir eine Anfrage an die Uefa richten, die Gelbe Karte von Karagounis zu annullieren“, sagte Team-Manager Panagiotis Fyssas. Vielleicht kommt Georgios Karagounis ja doch noch zu seinem Endspiel.

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