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Sport: Gesten der Versöhnung

Handballer Kretzschmar ist nach dem dritten Sieg guter Laune

Von Erik Eggers

Viseu. Diesmal gab Stefan Kretzschmar seinem Gegner die Hand. Ingo Hansen kassierte nach dem Schlusspfiff sogar noch einen Klaps auf das Hinterteil. Mit 34:20 (20:11) hatte die deutsche Handball-Nationalmannschaft gerade ihr drittes WM-Vorrundenspiel gegen Außenseiter Grönland gewonnen, sich damit vorzeitig für die nächste Runde qualifiziert. Und Bundestrainer Heiner Brand wollte nach dem Spiel nicht sauer sein wegen kleinerer Unkonzentriertheiten gegen einen körperlich robusten Gegner. Brand respektierte die sportliche Entwicklung beim Außenseiter, gegen den die Deutschen vor zwei Jahren bei der WM in Frankreich noch klar mit 39:8 gewonnen hatten.

Stefan Kretzschmar ging es wie seinem Trainer. Der neunfache deutsche Torschütze erkannte das Bemühen seines schmächtigen Gegenspielers Hansen an. Obwohl es der Grönländer nicht fertig gebracht hatte, auch nur ein einziges Mal auf das deutsche Tor zu werfen. Nicht immer jedoch beließ es Kretzschmar in diesen Tagen bei derart freundschaftlichen Gesten. Nach dem Auftaktmatch gegen Katar, das die Deutschen mit 40:17 gewonnen hatten, da verweigerte er seinem Gegenspieler nicht nur den obligatorischen Handschlag, sondern bedachte ihn noch mit einer Unflätigkeit. Der Beschimpfte hatte sich geschockt gezeigt: Thamer Hashim Othnan saß, wie Katars Assistenzcoach Adel Al-Zarraa später mit traurigen Augen erzählte, hinterher in der Kabine und heulte wie ein kleiner Junge. Der 19-Jährige hatte sich doch so auf dieses Spiel gefreut, sagte Al-Zarraa, der die Situation genauso wenig verstand wie sein Spieler. Kretzschmar ist schließlich dessen Idol.

Dabei erklärte sich dieser scheinbare Akt der Unsportlichkeit fast von allein. Othnan war in der Abwehr einige Male zu spät gekommen und hatte, weil er Kretzschmar bei dessen Würfen in den Arm gegriffen hatte, damit eine schlimme Verletzung des Handballprofis riskiert. Während des Spiels schon hatte ihn Kretzschmar dafür mit bösen Blicken gestraft. Kretzschmar will Weltmeister werden, und deswegen echauffieren ihn derart unbeholfene Abwehrversuche. Weil sie sein größtes Kapital zerstören können: den Körper. Florian Kehrmann vom TBV Lemgo hat mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Wie Kretzschmar ist er Außenspieler und rennt bei jedem Gegenstoß flink nach vorn. Deswegen hat sich mancher Spieler aus Australien oder aus Katar überfordert gefühlt, wenn Kehrmann vorbeiflitzte, doch der nimmt es gelassener als Kretzschmar. „Solche Szenen kommen in jedem Spiel vor“, sagt er.

Und dennoch sind alle bei der deutschen Mannschaft froh, die ersten drei Spiele gegen schwache Gegner ohne Verletzungen überstanden zu haben. Denn am Sonnabend, beim Spiel gegen Portugal, da wird es zum ersten Mal wirklich ernst bei der WM für die Deutschen.

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