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Sport: Giftmischer und Ehrenmann

Von Vincenzo Delle Donne Mailand. Michele Ferrari wirkt durchtrainiert und scheint dennoch keinen sonderlich ausgeprägten Geltungsdrang zu haben, obwohl er allen Grund dazu hätte.

Von Vincenzo Delle Donne

Mailand. Michele Ferrari wirkt durchtrainiert und scheint dennoch keinen sonderlich ausgeprägten Geltungsdrang zu haben, obwohl er allen Grund dazu hätte. Er gilt in der Sportmedizin als Meister seines Faches – in manchem sogar besser als sein großes Vorbild Francesco Conconi. Diskretion ist Ferraris Devise. Das hat er von seinem Lehrmeister Conconi gelernt. Conconi soll seinerzeit das Blutdoping perfektioniert haben, Ferrari hingegen die Verabreichung des synthetischen Blutmittels Epo und des Wachstumhormons und wie man bei Dopingkontrollen verbotene Substanzen maskieren kann.

Wie der Lehrmeister hält es auch der einstige Musterschüler mit seinen Justizverfahren. Gegen Conconi wird ab September in Ferrara verhandelt werden, gegen Ferrari ist in Bologna der Prozess in vollem Gange. Im Umgang mit der Justiz ähneln sich die beiden: Conconi, der noch immer Rektor der altehrwürdigen Universität Ferrara ist, denkt nicht daran, irgendwelche Konsequenzen zu ziehen; Ferrari betreut weiterhin den Weltklasse-Radprofi Lance Armstrong.

Und der US-Amerikaner zeigt sich noch immer dankbar. Er steht zu Ferrari und lehnt es ab, sich von diesem zu distanzieren. Zumindest nicht, bis ein ordentliches Gericht Ferrari rechtskräftig verurteilt hat. Originalton Armstrong: „Ich glaube, Ferrari ist unschuldig und ein Ehrenmann. Ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln und werde auch weiter mit ihm zusammenarbeiten.“ Auch Mario Cipollini hielt Ferrari bis jetzt die Stange, als er noch für Saeco sprintete. Daneben betreute Ferrari noch Tony Rominger, Axel Merckx und Ivan Gotti. Sowohl Conconi als auch Ferrari müssen sich für die fast gleichen Vergehen verantworten: Betrug im sportlichen Wettbewerb, Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, Hehlerei etc.

Giftmischer und Ehrenmann: Wie passen diese beiden Facetten ein und desselben Mannes zusammen, der in der Szene salopp „mito“, Mythos, hieß? Die angeblich weiße Weste Ferraris bekommt jetzt allerdings immer mehr Flecken. Der Radprofi Filippo Simeoni, der 1993 zum ersten Mal dopte, belastete Ferrari schwer und gab die Einzelheiten zu Protokoll. Er erzählte minutiös, wie der Sportmediziner das Doping bei ihm praktiziert habe. Ferraris Motto habe dabei gelautet: Nur was bei den Kontrollen herauskäme, sei Doping. „Ferrari hat mich angewiesen, morgens vor einer Kontrolle Emagel zu benutzen und am Abend vor einer voraussichtlichen Kontrolle Albumin, um das Blut zu verdünnen, wenn der Hämatokritwert höher war als die erlaubte Zahl 50“, sagte Simeoni.

Bedeutsam für die Ermittler ist, dass sich diese Dopingpraktiken wie ein Lauffeuer auf den Jugend- und Amateurbereich des Radsports ausgedehnt haben. Aber nicht nur dort. Auch im Kanusport, Fußball und Skilanglauf war Ferraris Rat gefragt und teuer.

Mittlerweile wurde Ferrari allerdings vom Radsport-Verband suspendiert. Wenn man weiß, wie langsam die Mühlen der italienischen Justiz mahlen, kann man davon ausgehen, dass Lance Armstrongs Solidaritätsbekundung wohl noch lange Zeit unwidersprochen Bestand haben wird. Bis wirklich etwas passiert, dürfte der Amerikaner längst seine Karriere beendet haben.

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