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Sport: Gold und Turbulenzen

Die deutsche Dressurequipe gewinnt bei den Weltreiterspielen trotz Protesten der Niederländer den Titel

Ein leises Raunen verfolgte die deutsche Mannschaft der Dressurreiter. Bei den Weltreiterspielen in Aachen schien es zum ersten Mal seit 33 Jahren möglich, dass das Gold in der Mannschaft nicht nach Deutschland geht. Doch als die letzte deutsche Starterin, Isabell Werth, auf ihrem als Wackelkandidaten bekannten Satchmo mit gereckter Faust das Viereck verließ, war klar: Die Niederländer sind geschlagen. Das deutsche Team holte sich mit 223,625 Punkten zum insgesamt neunten Mal und zum achten Mal in Folge Gold, die Niederländer Silber mit 217,917 Punkten, Bronze ging an die USA.

Dieser Tag hatte alles geboten: Den Triumph für eine verunsicherte Mannschaft, politische Spielchen von enttäuschten Zweiten und die vollendete Rehabilitation einer Spitzenkandidatin. „Das war die wichtigste Medaille meiner Karriere“, sagte Isabell Werth, die Frau, die sechs olympische Medaillen ihr eigen nennt.

Vor ihr war Anky van Grunsven geritten, die als momentan stärkste Reiterin gilt. Sie sollte den knappen Vorsprung der Deutschen aufholen, den Heike Kemmer mit einem fantastischen Ritt am Vortag herausgeholt hatte.

Ganz leise waren die Tausende Zuschauer, als van Grunsven gegen Mittag einritt. Auf ihrem braunen Wallach Salinero trabte sie langsam über den Rasen des Stadions zum mittigen Dressurviereck, vorbei an für Pferdeaugen unheimlichen Kamerapodesten. Das Paar begann die Prüfung zunächst unglaublich souverän: Ausdrucksvolle Trabstrecken, saubere Übergänge von einer Gangart in die andere, exakte Traversalen, also Seitengänge. Niederländische Fans hielten ein orangefarbenes Laken hoch: „Anky, Imke, Edward, Laurens“. Die Namen der Sieger – hätte van Grunsven diesen Anfang durchhalten können. Doch plötzlich misslang erst ein Übergang, dann eine Pirouette, und schließlich die ganze Siegestour. „Ich war sehr zufrieden mit meinem Pferd und sehr unzufrieden mit mir“, sagte van Grunsven. Sie habe im entscheidenden Moment Salinero nicht das richtige Signal gegeben.

Ihr Ritt wurde mit 75,0 Prozent bewertet. Isabell Werth erhielt nach einem soliden Ritt mit kleinen Fehlern die gleiche Punktzahl. Die Deutsche hatte sich Mitte der Neunzigerjahre ein Dauerduell mit der Niederländerin geliefert, nach Trainer- und Pferdewechseln in den letzten Jahren aber nicht mehr im Spitzenduell mithalten können. Das lag vor allem auch an Satchmo, der lange Zeit im Viereck lieber zur Seite sprang oder bockte, statt sich zu konzentrieren. Dass sie gerade mit diesem mal hervorragenden, mal verrückten Pferd das Gold für die Mannschaft sicherte, nahm Werth als Beleg für die überstandene Krise. „Anky und ich sind wieder auf Augenhöhe“, sagte Werth. Nach van Grunsvens Patzern und Werths Comeback war für den letzten Starter der Niederlande, Edward Gal, klar: „Es geht nur noch um Silber.“ Teamchef Sjeff Janssen gratulierte den Konkurrenten artig, „ich habe fantastische Ritte und Pferde gesehen“, unter Reitern will man sich verstehen.

Doch wie angeschlagen das Verhältnis der beiden Rivalen auf sportpolitischer Ebene ist, zeigen zwei Proteste der Niederländer. Zum einen reichten sie beim Weltreiterverband FEI eine Beschwerde ein. Bei Werths Vortrag sollte eine Kamera, die quer an einem im Stadion gespannten Seil befestigt war, anders positioniert gewesen sein als beim Rest des Feldes. Dies habe sie bevorteilt. Sinn des Protests, der übrigens abgelehnt wurde, sei „aber kein anderes Mannschaftsergebnis“, sagte George de Jong, Sportbeauftragter des niederländischen Verbandes, es ginge nur um den korrekten Ablauf in den folgenden Tagen. Außerdem wandte sich Teamchef Janssen in einem Brief an die FEI. Er forderte darin, dass die Stewards, die Aufpasser an den Vorbereitungsplätzen, genauer informiert werden sollen. Am Tag zuvor hatte der Niederländer Laurens van Lieren wertvolle Vorbereitungszeit verloren, weil er ein angeblich verbotenes Logo auf der Satteldecke trug, was sich als falsch herausstellte. Zusätzliche Brisanz bekam dieser Vorfall, weil alle Stewards in Aachen Deutsche sind. George de Jong konnte sich einen kleinen Seitenhieb auf den Rivalen und Gastgeber daher nicht verkneifen: „Offensichtlich ist hier jemand überfordert.“

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