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Sport: Goldene Boote

Warum die deutschen WM-Kanuten so stark sind

Berlin - „Medaillen stehen diesmal nicht so sehr im Vordergrund. Wir haben viele Talente dabei, unser Hauptziel sind die Olympischen Spiele 2008. Sechs, sieben Medaillen, das wäre zufriedenstellend.“ So sprach Jens Kahl, Sportdirektor und Interims-Cheftrainer des Deutschen Kanu-Verbands, vor der WM in Zagreb. „Wir können uns kaum noch im Bootshaus blicken lassen, die anderen Nationen schauen schon böse. Der Wahnsinn geht weiter“ So sprach Jens Kahl nach der WM.

Zehn WM-Titel, fünf Silber-, drei Bronzemedaillen, das ist die Bilanz von Zagreb. Eine Rekordbilanz. Noch nie haben deutsche Kanuten bei einer WM so viel gewonnen wie in Zagreb. Und Birgit Fischer holte ihre 37. WM-Medaille. Gestern gewann sie mit ihrer Nichte Fanny Bronze im Kajak-Zweier über 200 Meter. Den Vierer-Kajak hatte die achtmalige Olympiasiegerin über 1000 Meter auch zu Bronze geführt. Sie ist jetzt 43 Jahre alt, sie will weitermachen bis Olympia 2008. Nicole Reinhardt könnte mal ihre Nachfolgerin werden. Reinhardt ist 19 Jahre alt, Zagreb war ihre erste WM, sie gewann im Einer-Kajak sofort Gold über 500 Meter. Der Canadier-Vierer, mit Robert Nuck am Schlag, holte Bronze.

Der Wahnsinn geht also weiter. Bei den Olympischen Spielen gewann Deutschland viermal Gold und dreimal Silber. Obwohl viele Ex-DDR-Stars und auch andere Größen aufgehört haben. Leute, die serienweise Titel und Medaillen gewannen. Warum? Weshalb gibt es keinen Leistungseinbruch?

Weil überhaupt nur Weltklasse-Athleten zu Höhepunkten dürfen. „Wir haben sehr harte Qualifikationskriterien“, sagt Andreas Dittmer. Er gewann in Zagreb über 500 Meter und 1000 Meter. Über 1000 Meter hat er in sechs Jahren nur einmal verloren. „Nur wenn du bei einer sehr stark besetzten Regatta höchstens 1,5 Prozent hinter der Siegerzeit bist, darfst du sicher zu Olympia. Wer das nicht schafft, muss in zwei nationalen Qualifikationsrennen und einer internationalen Regatta vorne mitpaddeln“, sagt Dittmer. Ronald Rauhe und Tim Wieskötter aus Potsdam, in Zagreb Sieger im Zweier-Kajak über 500 Meter, haben seit fünf Jahren nicht mehr verloren.

Und es gibt immer noch genügend Routiniers im deutschen Team. Dittmer etwa ist 33 Jahre alt. Außerdem ist 2005 ein nacholympisches Jahr. In Zagreb traten nicht alle Weltklasse-Athleten an. Oder sie waren nicht in Bestform. Außerdem haben die Deutschen auch nicht-olympische Klassen besetzt. Dort ist die Konkurrenz schwächer als in den olympischen Disziplinen. Trotzdem: Kaum jemand hätte gedacht, dass die deutschen Talente so glänzen. Das liegt natürlich auch an der Nachwuchsarbeit in Deutschland. Sieben Bundesstützpunkte hat der Verband, an jedem arbeiten zwei hauptamtliche Trainer. Und die Bundeswehr stellt Plätze in den Sportförderkompanien. „Bei den Junioren haben wir keine Probleme“, sagt Jens Kahl, der Sportdirektor.

Ihn treibt die Frage um, wie er das Leistungsniveau auch in Zukunft halten kann. Wenn Leute wie Fischer und Dittmer abtreten. „Das Problem ist, dass viele nach dem Juniorenalter aufhören“, sagt Kahl. Sie können Studium oder Sport nicht koordinieren oder sie lassen sich demotivieren. „Wenn einer von mir nach 300 Metern die Welle bekommt, dann verliert der schnell die Lust“, sagt Dittmer. Der zweimalige Junioren-Weltmeister Matthias Böhm paddelt kaum noch. Er konzentriert sich auf sein Medizinstudium. Der Potsdamer Junioren-Weltmeister Peter John hat ganz aufgehört. Im Mai 2005 gab es in der Sportschule Kienbaum ein Gespräch. Die besten Junioren sollten sagen, wie sie ihre Zukunft sehen. „Viele haben erklärt, wir gehen zur Bundeswehr, dann sehen wir weiter“, sagt Kahl. Aber gerade nach der Bundeswehr wird es für viele hart. „20 bis 25 Stunden Training pro Woche benötigt man, um in der Weltspitze mitzumischen“, sagt Kahl. „Und wir haben ein Nachwuchsproblem bei Trainern“, sagt Kahl. Zwölf der 14 Stützpunkttrainer sind über 50 Jahre alt.

Die Konkurrenz holt mächtig auf. China zum Beispiel. Die Chinesen wollen in Peking 2008 in die Medaillenbereiche. Josef Capousek ist dort jetzt Cheftrainer, und Kahl weiß, wie gut der gebürtige Tscheche arbeitet. Capousek war 17 Jahre lang deutscher Cheftrainer.

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