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Sport: Grätschen erlaubt

Fußball-Weltmeisterinnen im Test gegen 16-jährige Jungs

Die Fußballerinnen waren Weltmeister, und „Bild“ druckte am Morgen danach die passende Schlagzeile: „Wir haben wieder Helden!“ Ein Monat ist seit dem Sieg im WM-Finale gegen Schweden vergangen. Im Rausch der Euphorie um die Fußballerinnen rief Frankfurts Bürgermeisterin Petra Roth auf der Feier vom Rathausbalkon: „Männer, schaut auf diese Frauen: alles Weltmeisterinnen.“ Und alles jubelte.

Die Feier ist vorbei. Die Fußballerinnen werden von der Realität eingeholt. Am Samstag spielen die Frauen im EM-Qualifikationsspiel gegen Portugal, und heute findet noch ein letztes Testspiel statt – gegen den VfB Stuttgart. Nicht etwa gegen den Tabellenführer der Bundesliga, sondern gegen die B-Junioren.

Warum spielt der Weltmeister gegen 16-jährige Fußballer? „So ein Spiel macht Sinn“, sagt Nationaltrainerin Tina Theune-Meyer. Was sie meint: B-Junioren spielen auf einem Niveau wie die Weltmeisterinnen – und wahrscheinlich noch besser. Theune-Meyer: „Wir werden ganz bestimmt große Mühe haben.“

Oft und viel wurde in den vergangenen Wochen diskutiert, wie stark der Frauenfußball denn sei – verglichen mit dem der Männer. Ariane Hingst, die Nationalspielerin, „mag den Vergleich nicht“. Das seien ja keine Kinder mehr. Schuhgröße 45 und so. Der Antritt. Die Muskeln. Die Kraft.

Es gibt nicht wenige in der Branche, die davon ausgehen, dass die Weltmeisterinnen deutlich verlieren werden. „Vielleicht will die Bundestrainerin der Mannschaft einen vor den Bug geben.“ Das sagt Frank Leicht, der Trainer der Stuttgarter B-Junioren. Er meint so etwas nicht abwertend, sondern „aus Erfahrungswerten“. Vor der WM in den USA haben die Frauen auch gegen B-Junioren gespielt. Gegen Borussia Dortmund und Eintracht Frankfurt. Jedes Mal haben die Frauen deutlich verloren.

Die Frauen spielen taktisch und technisch guten Fußball. Vielen Fans gefällt, dass auf dem Rasen mehr Raum und Zeit bleibt, einen Angriff einzuleiten. Es sieht schöner aus. Und die deutschen Frauen beherrschen ihren Stil gut. Gegen Portugal werden sie am Samstag damit gut aufgestellt sein, gegen B-Junioren ist etwas anderes gefragt: „Die Jungs werden uns davonrennen, also dürfen wir uns auf keine Sprintduelle einlassen. Lieber clever den Ball laufen lassen und gut verschieben“, sagt Nationalspielerin Hingst. Und vor allem: schnell und flach spielen.

Das ist anspruchsvoller. Doch mit Flankenbällen, wie sie zum 2:1 im Finale gegen Schweden führten, können die Frauen gegen Männer wenig ausrichten. Mit 16 Jahren sind die meisten Jungs so gut wie ausgewachsen und nicht selten bei 1,85 Meter Körpergröße angelangt. Kevin Kuranyi kickte unter Trainer Leicht schon in der VfB-Jugend, „und da war der genauso lang und kopfballstark wie heute“. In der Bundesliga gibt es nur sieben Fußballer, die kleiner als 1,70 Meter sind – in der Frauen-Nationalmannschaft ist es ein Großteil. Conny Pohlers etwa ist 1,63 Meter groß und wiegt 54 Kilo. Als Stuttgarts Trainer das Testspiel in der Kabine ankündigte, habe ein Spieler gefragt, ob er „richtig“ spielen dürfe? „Mit Grätschen und so?“ Na klar, hat Leicht gesagt. „Renn einmal davon – und beim nächsten Mal bekommst du vorher richtig auf die Socken.“ Nationaltrainerin Theune-Meyer schult so Zweikampfverhalten. Und außerdem „war es an der Zeit, die Mädels herunterzuholen“. Rechtzeitig vor Samstag.

André Görke

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