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Party im Schnee. Der Österreicher Gregor Schlierenzauer feiert mit seinen Fans in Bischofshofen den Sieg bei der Vierschanzentournee.

© Reuters

Vierschanzentournee-Sieger: Gregor Schlierenzauer: Absprung in die Normalität

Gregor Schlierenzauer steigert als Sieger der Vierschanzentournee seine Popularität und versucht, sich nicht vereinnahmen zu lassen.

Da stand er nun, der Sieger, der Mann, der sich seinen größten Traum erfüllt hat, der jetzt mit seinen jubelnden Fans feiern wollte, da stand er nun und musste warten. Unten, im Tal, standen sie alle, die Fans, seine Eltern, seine Trainer, aber er wartete oben auf den Lift. Nach einigen Minuten kam er dann, und Gregor Schlierenzauer konnte ins Tal schweben. Er wäre ja gerne auf beiden Ski im Tal gelandet, kurz vor der Auslaufzone der Schanze in Bischofshofen, aber der Wettkampfleiter hatte den zweiten Durchgang beim vierten Springen der Vierschanzentournee wegen zu starken Schneefalls abgebrochen. Und damit stand Gregor Schlierenzauer aus Österreich vorzeitig als Gesamtsieger fest.

Als er dann im Tal war, da ging die Party los. Sekt floss, es wurde gefeiert, ein rot-weiß-rotes Fahnenmeer war das prägende Bild im Zielbereich. Und Schlierenzauer konnte am Samstag gleich noch mal anstoßen. Da wurde er 22 Jahre alt. „Ich bin unglaublich stolz und glücklich. Wenn man lange für etwas kämpft und es erreicht, ist das wunderschön. Die Tournee hat uns alles abverlangt“, sagte er.

Ihm vor allem, der Ehrgeiz hatte ihn unter enormen Druck gesetzt. Vor der Tournee hatte er gesagt: „Ich würde sagen: Ich bin verlobt. Die Hochzeit kommt irgendwann.“ Die Hochzeit kam am Freitag. Olympiasieger ist er, mehrfacher Weltmeister, den Gesamt-Weltcup hat er bereits gewonnen, mit 38 Weltcupsiegen liegt er auf Platz drei der ewigen Bestenliste. Vor ihm: Matti Nykänen (Finnland/46) und der Pole Adam Malysz (39). Aber die Vierschanzentournee hatte er noch nicht gewonnen. Diesen Erfolg wollte er unbedingt.

Aber noch etwas treibt ihn, der Drang nach Perfektion. „Mein Erfolgshunger hat sich schon verändert“, sagt er, „früher habe ich nur aufs Ergebnis geschaut, heute ist der Drang zum geilen Absprung viel größer.“ Auch eine Frage der Reife. Österreichs Cheftrainer Alexander Pointner hat speziell in diesem Bereich große Entwicklungen festgestellt. „Gregor wird von Jahr zu Jahr reifer und erfahrener“, sagt er. Vor allem im vergangenen Jahr habe er einen gewaltigen Sprung gemacht.

Sportlich war Schlierenzauer schon immer eine Ausnahme. In allen Altersklassen sei er überragend gewesen. Sagt Pointner. „Er war schon immer ein außergewöhnlicher Sportler.“ Mit 16 Jahren ist das Talent aus dem Stubaital kometenhaft in die Weltspitze aufgestiegen. Und immer oben geblieben. Dabei ist er bis zum vergangenen Jahr körperlich noch gewachsen. Bei anderen Shootingstars haben sich die veränderten Hebelverhältnisse verheerend auf das sensible Flugsystem ausgewirkt, nicht so bei Schlierenzauer. Der konnte das kompensieren.

Mit zu seiner Stabilität als Mensch hat seine Familie beigetragen. Zur Familie gehört auch Markus Prock, sein Onkel und Manager. Der kennt sich als zehnmaliger Gewinner des Gesamt-Weltcups im Rodeln bestens im Sport aus. „Mein Onkel ist mein Vorbild, weil er über Jahre hinweg sehr konstant und erfolgreich war, aber auch als Persönlichkeit taugt“, sagt Schlierenzauer. Aber auch Sportler aus anderen Sportarten bewundert er: Tennisspieler Roger Federer und Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel. Sven Hannawald, der vor zehn Jahren alle vier Springen der Tournee gewonnen hatte, war auch mal ein Vorbild. Allerdings nur für kurze Zeit. Als der Deutsche vor zehn Jahren für Furore gesorgt hatte, da verfolgte der junge Schlierenzauer, der mit neun Jahren mit dem Skispringen begonnen hat, diese Traditionsveranstaltung zum ersten Mal bewusst vor dem Fernseher.

Natürlich ist Schlierenzauer mittlerweile selbst Vorbild. In Innsbruck wird er selbstverständlich auf der Straße erkannt, aber auch häufig in Deutschland. Bei vielen Reisen freilich kann er auch abtauchen in die Anonymität. Er ist durchaus froh darüber.

Mit Interesse hat er aus der Distanz den angekündigten Rücktritt von Biathletin Magdalena Neuner und ihre Suche nach Normalität verfolgt. Er kann ihre Empfindungen verstehen. „Manchmal ist es schon ein hartes Business“, sagt er. Immer werde Leistung erwartet, und man soll wie eine Maschine funktionieren. „So wenig wie möglich Fehler zu machen, kostet unwahrscheinlich viel Energie.“ Deshalb wünsche er sich manchmal mehr Abstand und Normalität.

Einen Schritt in diese Normalität hat Schlierenzauer bereits gemacht. Seit einem Jahr gibt es eine von ihm entworfene Modelinie. Zunächst war er nach dem Schulabschluss froh, nur noch Sportler sein zu können. „Dann aber habe ich gemerkt, dass ich doch ein Typ bin, der gerne mal seinen Kopf einsetzt.“ Und wenn man dauernd nur ans Skispringen denke, wenn man sich ausschließlich auf ein Thema konzentriere, könne das zum Problem werden. Also hat er sich eine neue Aufgabe gesucht. „Ich mache alles selber, vom Design über den Prototyp bis zur Produktion.“ So bekomme er mehr Abstand zum Sport, kehre aber auch mit umso mehr Motivation zum Springen zurück.

Mit seiner Freundin Sarah plant er, eine gemeinsame Wohnung zu beziehen. Und irgendwann mehr? Eine Hochzeit? Eine echte, nicht eine symbolische im Sport? Klar, sagt Schlierenzauer. Den Kontakt zum Sport muss er beim Jawort ja nicht verlieren. „Man kann auch an der Schanze heiraten“, sagt er und lacht.

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