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Sport: Gute Hoffnung am Kap

Die Südafrikaner haben noch drei Jahre Zeit bis zur WM – und reagieren auf die großen Probleme weiterhin gelassen

Der Winter hat dieses Jahr schon früh an der Südspitze von Afrika Einzug gehalten. Es regnet und stürmt wie seit langem nicht mehr. Doch in der riesigen Baugrube gleich neben der Kapstädter Waterfront, dem Vergnügungs- und Entertainmentviertel, herrscht reges Treiben. Ein paar Dutzend Arbeiter verlegen Kabel für Stromgeneratoren und ziehen Drainagegräben. Und auf dem Granitfels im Untergrund liegen bereits ein paar Betonblöcke der neuen Kapstädter Arena. Kein Zweifel: Die ersten Spatenstiche für die Fußball-Weltmeisterschaft am Kap in drei Jahren sind getan.

Trotzdem gestaltet sich die Arbeit am neuen Stadion insgesamt eher mühsam, heißt es aus Kreisen des Hamburger Architektenbüros gmp, das die neue Arena entworfen hat. Zwar sind die Erdarbeiten schneller als erwartet vorangekommen. Dennoch gilt für den Bau einer Fußballarena das gleiche wie für die Politik am Kap: „In punkto Power-Point-Präsentation ist Südafrika einsamer Weltmeister. Die Frage ist: Können wir es auch umsetzen?“, sagt der Transportexperte Paul Browning. Niemand will Verantwortung übernehmen. Selbst bei Kleinigkeiten sollen stets die Deutschen entscheiden.

Das gleiche gilt für viele andere WM-Projekte. Einige wie etwa der Bau der fünf neuen Stadien kommen passabel voran, zumal dann, wenn die Architekten, wie etwa in Durban, die Rückendeckung der Stadt haben. Doch viele andere Fragen bleiben ungelöst.

Sorgen bereitet vor allem die Infrastruktur, allen voran das marode oder oft gar nicht vorhandene Nahverkehrssystem, das in Deutschland so perfekt funktionierte, dass es manchem Besucher vom Kap die Sprache verschlug. Die im Katalog des Weltverbandes Fifa geforderten Straßenbahnen und U-Bahnen gibt es in Südafrika jedenfalls nicht – und es wird sie wohl auch zumindest nicht in den drei Jahren bis zur WM geben. Das Eisenbahnnetz ist in den letzten 20 Jahren kaum gewartet worden und entspricht nicht den Anforderungen eines modernen Industriestaates.

Auch die Stromausfälle häufen sich, weil die Regierung wider besseren Wissens zwischen 1998 und 2004 keine neuen Kraftwerke genehmigt hat. Inzwischen ist der Energiepuffer von damals 25 Prozent auf knapp acht Prozent geschmolzen – und liegt inzwischen weit unter dem internationalen Standard von 15 Prozent. Größere neue Anlagen werden frühestens 2012 ans Netz gehen – zu spät für die WM. „Wir haben die Chance, es zu schaffen Aber genauso gut können wir an die Wand fahren“, sagt Browning .

Sorgen bereitet auch die aus dem Ruder gelaufene Gewalt. „Wer gibt schon gerne viel Geld für einen Urlaub aus, wenn er Angst um Leib und Leben haben muss“, fragte der (schwarze) US-Botschafter Eric Bost kürzlich in einem vielbeachteten Zeitungsinterview. Sobald Weiße aber nur leise Bedenken äußern, werden sie rasch als Nörgler, schlechte Patrioten oder gar Rassisten abgestempelt, die dem Land keine erfolgreiche WM-Ausrichtung zutrauen.

Wer mit den an der Organisation Beteiligten spricht, hört auch nur zumeist das, was Staatspräsident Thabo Mbeki schon vor einem Jahr in Berlin sagte: Klar gebe es das eine oder andere Problem, aber Südafrikaner seien innovativ – und würden die beste Weltmeisterschaft aller Zeiten ausrichten.

Wer jedoch in die Zeitungen schaut oder mit den Menschen vor Ort spricht, dem kommen gewisse Zweifel. Ohne Druck wie zuletzt vom Fifa-Präsidenten Sepp Blatter werden die Zeitpläne kaum einzuhalten sein.

Es wird also eng, und schon deshalb lagen die Zeitungen auch nicht ganz falsch, als sie die Entsendung von Horst R. Schmidt, dem wichtigsten Organisator der WM 2006, mit der Anstellung eines Kindermädchens verglichen. Schmidt selbst will davon naturgemäß nichts wissen, schon weil er um den ungeheuren politischen Stellenwert weiß, den die Ausrichtung der ersten WM in Schwarzafrika für das Land am Kap hat. „Die Welt soll Südafrika nicht ständig mit dem unterschwelligen Ton der Unfähigkeit begegnen“, moniert er. „Denn bekanntlich führt nicht nur ein Weg zum Ziel.“ Auch sonst versprüht der Funktionär Optimismus. Für ihn ist jedenfalls klar: „Südafrika kann und wird die WM stemmen.“

Dennoch: Bei aller dem Land eigenen Gelassenheit ist Südafrika an einem Punkt angekommen, an dem der eigene Stolz überdacht werden muss. Das Engagement des Auslands gilt es dabei vorsichtig zu balancieren: Mischen sich Schmidt und die Deutschen zu stark in die Planungen ein, wird es am Ende heißen, die WM sei zu eurozentrisch, ja teutonisch. Stehen sie untätig herum, wird man später sagen, sie hätten (Süd-)Afrika im Stich gelassen. Zurzeit wirkt alles noch etwas ungelenk: Bayerische Feuerwehrleute sind bereits ans Kap aufgebrochen, um Einsatzpläne auszutüfteln. Und immer neue Delegationen kommen aus Deutschland angereist, zuletzt sogar aus der WM-Stadt Kaiserslautern, um Ratschläge zu geben, oft ungefragt. Vor allem hat man jedoch versäumt, Südafrika direkt in die Vorbereitung der deutschen WM einzubinden. Diese Expertise fehlt dem Land am Kap nun bei der eigenen Vorbereitung an allen Ecken und Enden.

Wolfgang Drechselr[Kapstadt]

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