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Sport: Haas fühlt sich bereit für den Sieg

MELBOURNE .Der Blick des Siegers sagte mehr als tausend Worte.

MELBOURNE .Der Blick des Siegers sagte mehr als tausend Worte.Und das, was Thomas Haas nach seinem grandiosen 7:6, 7:5, 6:3-Halbfinaleinzug bei den Australian Open gegen den US-Amerikaner Vince Spadea erklärte, paßte dazu: "Dieses Turnier ist noch nicht zu Ende", sagte der 20jährige, der im Melbourne Park drauf und dran ist, ein neues deutsches Tennis-Wunder zu inszenieren.Von strahlendem Siegerlächeln war keine Spur bei dem "Himmelsstürmer" ("The Australian"): Haas will nun mehr als das Halbfinale, Haas will gewinnen."Ich möchte am Sonntag den Pokal in die Luft halten", sagte er, "und ich weiß, daß ich mir diesen Traum erfüllen kann." Als potentieller Spielverderber wartet nun Jewgeni Kafelnikow, der Todd Martin (USA) mit 6:2, 7:6, 6:2 bezwungen hat.Bei den US Open 1998 hat Haas ein hartumkämpftes Vier-Satz-Match gegen den Mann aus Sotschi am Schwarzen Meer verloren, gegen den er auch beim Davis-Cup-Erstrundenmatch Anfang April in Hamburg antreten muß.

Hat Haas drei Jahre nach dem Melbourne-Triumph des Altmeisters Boris Becker und nur wenige Stunden nach dem Viertelfinal-Aus von Steffi Graf eine neue Ära im deutschen Tennis eingeläutet? Auf jeden Fall war der Draufgänger-Typ, der bei seinen fünf bisherigen Siegen eine gänzlich neue taktische Reife demonstrierte, mit seinem Einzug in den Kreis der vier Halbfinalisten schon weiter als bisher alle anderen Erben der Superstars Becker und Michael Stich, weiter als die nur flüchtigen Hauptdarsteller Dreekmann und Goellner.Im Kontrast zu seinem Davis-Cup-Kollegen Nicolas Kiefer, der vor zwölf Monaten hier im Viertelfinale gegen den französischen Qualifikanten Nicolas Escude gescheitert war, nutzte Haas die Gunst einer vielversprechenden Auslosung und des Favoritensterbens."Das ist ein großer Tag für das deutsche Tennis", sagte Davis-Cup-Kapitän Carl-Uwe Steeb, der sein Rückflugticket in die Heimat wieder einmal umbuchen mußte.

Stolz meinte Steeb: "Er hat seine Zeit gebraucht, aber jetzt ist er auf dem Marsch in die Weltspitze." Schon in Melbourne könne Haas das "ganz große Ding drehen".Aus München wiederholte Becker seine vor Wochenfrist geäußerte Einschätzung: "Ich habe das Gefühl, daß Tommy das Turnier gewinnen könnte." Vielleicht, meinte er, "erleben wir die Geburtsstunde eines neuen deutschen Superstars"."Mein Selbstvertrauen ist stark wie nie", sagte Haas.Sein Mann habe eine "verflucht gute Serie", ergänzte Haas-Coach David Ayme, "aber er spielt seit Monaten gutes, solides Tennis, am obersten Ende des Ranglisten-Spektrums."

Doch zuvor beeindruckte Haas mit jener Widerstandskraft und Abgebrühtheit, die ihn in Melbourne auszeichnen.Zwei Tage nach seinem spielerischen Meisterstück gegen den Franzosen Santoro entnervte Haas auch Spadea, nach ausnahmslos jedem Aufschlagverlust gelang Haas sofort das Rebreak."Der Kerl hat mich verrückt gemacht, ich konnte nie wegziehen", sagte Spadea.Auch in langen Grundlinienduellen spielte Haas im Zweifelsfall immer den intelligenteren Ball - mal weiche Stopps, mal präzise Volleys und mal geschickte Vorbereitungsschläge, um anschließend Netzattacken einzuleiten.Der Deutsche hatte überall auf dem Center Court fest die Kontrolle, er spielte die besten Schläge in den heikelsten Momenten - wie Boris Becker in besten Zeiten.

Selbst der Matchball war bestens getimt: "Genau, als das Spiel vorbei war, hatte ich den ersten Krampf in den Beinen", sagte Haas, der in Melbourne die Früchte seiner Tennis-Ausbildung erntet."Tommy vereint die Eigenschaften eines europäischen Sandplatz-Spezialisten und eines amerikanischen Powerspielers in sich", sagt Trainer Ayme, "er ist nicht so ein eindimensionaler Typ." Tatsächlich hat sich Haas trotz seiner sieben Lehrjahre im Bollettieri-Camp immer noch jene spielerische Flexibilität bewahrt, die ihm Vater Peter Haas bei den ersten Tennis-Lektionen daheim in München mitgab.An den Ritualen vor seinen Melbourner Matches wird Haas bis morgen nichts ändern.Er wird im "Planet-Hollywood"-Restaurant essen, was er immer gegessen hat in diesen beiden herrlich-verrückten Wochen: Tomaten mit Mozzarella, Nudeln mit Tomatensoße.Und Kartoffelpüree.Frisch gestärkt, will Haas dann weiter als Regisseur im großen Tennis-Theater die Direktiven geben.Der Deutsche sagt: "Ich bin bereit für den Sieg."

JÖRG ALLMEROTH

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