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Weggeputzt. Die Französin Marie-Laure Delie (l.) pflegt den Schuh, mit dem Elise Bussaglia im Viertelfinale traf.

© dpa

Halbfinale Frankreich - USA: Es geht auch locker

Dadaistische Sprachkunst und Glückwünsche an die Beckhams – Französinnen und US-Amerikanerinnen spielten sich locker und beschwingt durchs Turnier. Das verspricht einiges fürs heutige Halbfinale.

Es muss lustig zugehen in der französischen Kabine, wenn Siege gefeiert werden und Bruno Bini nahtlos übergeht in den analytischen Dialog. Zum Beispiel am vergangenen Samstag in Leverkusen. Seine Equipe hatte gerade die Engländerinnen im Elfmeterschießen niedergerungen und erstmals das Halbfinale bei einer WM erreicht, und das Mitarbeitergespräch zwischen Cheftrainer und Spielerinnen reduzierte sich auf Fragmente dadaistischer Sprachkunst. So jedenfalls hat es Bruno Bini kurz nach dem Spiel erzählt: „Ich sagte: Lili! Und die Spielerinnen antworteten: Lala!“

Da dürfte reichlich virtueller Champagner im Spiel gewesen, aber Monsieur Binis Auftritt war nicht mehr als die Fortsetzung dessen, was seine Mannschaft bisher in Deutschland zur Vorführung bringt. Die Französinnen präsentieren sich bei dieser Frauenfußball- Weltmeisterschaft in einer ausgelassenen Fröhlichkeit, die ziemlich genau ihrem Spiel entspricht. So leicht und beschwingt kommen auch die US-Amerikanerinnen daher, was einiges verspricht für das Halbfinale dieser beiden Mannschaften am Mittwoch in Mönchengladbach.

Rein äußerlich ziehen die lange Stürmerin Abby Wambach, die grazile Torfrau Hope Solo und ihre Kolleginnen die Dienstreise nach Europa auf wie eine Highschool-Abschlussfahrt. Die Vorrunden-Niederlage gegen Schweden etwa interpretierten sie als angenehme Gelegenheit, zum Viertelfinale noch einmal in die schöne Dresden zu reisen, dort hatte es ihnen schon beim Auftaktsieg gegen Nordkorea so gut gefallen. Dass der Gegner dann aber Brasilien hieß – sei’s drum, wer Weltmeister werden will, muss eh alle schlagen.

Leichtigkeit macht vieles einfacher

Französinnen und US-Amerikanerinnen sind in diesen Tagen der Gegenentwurf zur deutschen Delegation, deren sportliche Leiterin zum Lachen immer in den Keller ging und die Sarkasmus gern mit Schmallippigkeit verwechselte. Bruno Bini kommentierte die offensive Selbstdarstellung des WM-Gastgebers mit der der charmanten Bemerkung, seine Mannschaft arbeite hart am zweiten Platz, der erste sei ja eh schon an Deutschland vergeben. Silvia Neid und ihre Spielerinnen plauderten nach ihren Anfangserfolgen staatstragend mit der Bundeskanzlern, die Amerikanerinnen twitterten aus Dresden nach Los Angeles – ein Glückwunschtelegramm an David Beckham zur Geburt seiner Tochter: „Born in the USA!“ Und: „Kann sie für uns spielen?“

Nun garantiert gute Laune allein keine sportlichen Höchstleistungen, und es entspräche kaum dem Anspruch der Halbfinalisten aus dem Alten Europa und der Neuen Welt, sie auf den Spaßfaktor zu reduzieren. Aber ein bisschen mehr Leichtigkeit macht vieles einfacher. Die Amerikanerinnen arbeiteten am Sonntag in der drückenden Hitze von Dresden so hart, dass sie auch zu zehnt elf mit sehr viel mehr Talent gesegnete Brasilianerinnen müde liefen. Und die Französinnen reagierten auf die Tritte der spielerisch deutlich unterlegenen Engländerinnen ganz anders als die Deutschen in einer vergleichbaren Situation gegen Nigeria. Sie blieben bei ihrem Stil, ließen den Ball zirkulieren und zeigten auch dann keine Nervosität, als es kurz vor Schluss immer noch 0:1 hieß. „Wir wussten, dass wir die bessere Mannschaft sind“, erzählte die Mittelfeldspielerin Camille Abily später. „Das hat jeder im Stadion gesehen“, und deswegen habe sie der späte Ausgleich in Minute 88 auch nicht weiter überrascht.

Ganz ähnlich hat auch Hope Solo das Comeback ihrer Mannschaft gegen die siegessicheren Brasilianerinnen erklärt. Wie bei den Französinnen ist es dieser unbedingte Glaube an sich selbst, verbunden mit einem nicht von außen zu verordnenden Gemeinschaftsgefühl, der die mentale Stärke der Mannschaft ausmacht. Die amerikanische Torhüterin hat das in ihrer metaphysisch geprägten Diktion so beschrieben: „Auf einmal haben wir die Schwingungen innerhalb der Mannschaft gespürt, diese Energie. Da ist etwas passiert, was man schwer erklären kann. So etwas kann man nicht trainieren, das ist ein Gefühl, und wir spielen mit diesem Gefühl.“

Pia Sundhage weist in solchen Situationen gern darauf hin, „dass ich aus Schweden komme“ und ihr Denken deshalb eher analytisch denn spiritistisch geprägt sei. Als Trainerin dieser amerikanischen Mannschaft aber müsse sie konstatieren: „Die sind wirklich so.“ Und es funktioniert. Als die Verteidigerin Rachel Buehler mit der Roten Karte vom Platz flog, „da haben wir erst richtig zu spielen angefangen“.

Die Französinnen Camille Abily und ihre Kollegin Sonia Bompastor kennen diese spezielle Mentalität aus ihrer Zeit in der US-Profiliga. Sie haben mit Abby Wambach und Ally Krieger gespielt, mit Rachel Buehler und Shannon Boxx. Und gegen alle anderen. „Kann schon sein, dass das ein Vorteil ist“, sagt Camille Abily, und es sei auch schön, dass sie einen Tag mehr Pause hatten als die Amerikanerinnen. Aber was will das schon heißen vor dem Duell zweier Mannschaften, die ihre Energie anscheinend nicht nur aus den traditionellen Quellen beziehen. Lili? Lala!

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