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Sport: „Halt durch, Didi!“

Schon vor Ullrich drehten Deutsche bei der Tour auf

Am 5. Juli startet in Paris die Tour de France. Ein Jubiläum. 100 Jahre hat die Rundfahrt schöne, traurige und dramatische Geschichten produziert. Wir stellen in loser Folge die spannendsten vor.

In ihren Anfangsjahren sorgte die Tour de France in Deutschland selten für Schlagzeilen. Das änderte sich 1932. Schlagartig, und schuld daran war ein Berliner: Kurt Stöpel weckte als Herausforderer des französischen Favoriten André Leducq das Interesse in der Heimat. Stöpel schlüpfte nach seinem Spurtsieg auf der zweiten Etappe von Caen nach Nantes am 7. Juli 1932 erstmals in das Gelbe Trikot – als Erster von bis heute elf deutschen Fahrern.

Stöpel beschrieb seinen Sprint später: „Mit letzter Kraft reiße ich das Vorderrad über den Zielstreifen, und gleich danach rase ich hinein in dieses Inferno von tobenden und brüllenden Stimmen.“ Er beendete die Tour nach 4479 Kilometern als Zweiter hinter Leducq mit 24:03 Minuten Rückstand. Der Berliner hätte sogar gewinnen können, wenn Tour-Gründer Henri Desgrange nicht mit einer Neuerung – den Zeitgutschriften – Leducq zu einem Vorteil verholfen hätte: Jeder Etappensieger bekam vier Minuten gutgeschrieben, der Zweite zwei, der Dritte eine Minute. Leducq gewann sechs Etappen und holte so über 37 Bonusminuten. Das Gelbe Trikot hatte Stöpel schon nach der dritten Etappe wieder ausziehen müssen, nachdem ihn gleich sechs Reifenpannen 13 Minuten kosteten. Sieger Leducq pries den Rivalen: „Stöpel ist ein großer Rennfahrer, der mit etwas mehr Erfahrung die Tour hätte gewinnen können.“ Ein Tour-Sieg war Stöpel nie vergönnt, Jan Ullrichs Triumph 1997 erlebte er nicht mehr. Stöpel war kurz zuvor im Alter von 88 Jahren gestorben.

Der zweite Deutsche, dem ein Sieg bei der Tour zugetraut wurde, war Hennes Junkermann. Fast 30 Jahre nach dem Berliner trumpfte der Krefelder in Frankreich auf. 1960 wurde er Vierter, 1961 Fünfter.

Die Berge waren bis zu der Ära Jan Ullrich nicht das Terrain der Deutschen, der Sprint und das Grüne Trikot für den Schnellsten und Punktbesten wurde ihr Metier. Rudi Altig begann seine Tour-Triumphe 1962 mit einem Paukenschlag, als er auf der ersten Etappe in Spa die Sprintspezialisten Rik van Looy und André Darrigade düpierte. Sein burschikoser Charme, sein selbstbewusstes Auftreten gefielen den Franzosen. Im Fahrerfeld gehörte Altig in den Sechzigerjahren zu den Chefs. Er trug das Grüne Trikot 1962 nach Paris, schmückte sich bei vier Teilnahmen 18 Tage lang mit dem Gelben Trikot und feierte acht Etappensiege. 1966 wurde er Zwölfter – seine beste Platzierung.

Dem nächste Deutschen, der bei der Tour für Furore sorgte, hatte dies niemand zugetraut. Die „Bild“-Zeitung machte sich sogar über seinen ersten Auftritt bei der Tour lustig: „Halt durch, Didi! Es sind nur noch 4113 Kilometer …“ – schrieb sie am 1. Juli 1977. Dietrich Thurau, gerade 22 Jahre alt, hatte tags zuvor als Tour-Neuling den fünf Kilometer langen Prolog gewonnen und war ins Gelbe Trikot der 64. Tour geschlüpft. Das trug er dann auf 15 Etappen, so lange wie kein Deutscher vor ihm. Der Frankfurter wurde mit fünf Etappensiegen Fünfter. Mit dem Zeitfahrsieg auf den Champs-Élysées beendete Thurau seine erste Tour und gewann das Weiße Trikot für den besten Nachwuchsfahrer. Viele glaubten, dass er einmal die Tour gewinnen würde. Doch Thurau, vergeudete sein Talent in Sechstagerennen. Nur noch einmal erreichte er bei seinen folgenden fünf Tour-Starts Paris – 1979 als Zehnter.

Die Wiedervereinigung verhalf der Bundesrepublik in der Ära nach Thurau zu einem unverhofften Schub im Radsport. Olaf Ludwig aus Gera radelte 1990 als bester Sprinter über die Champs-Élysées und wurde nach seinem Wechsel zu Telekom zum ersten Protagonisten des stärksten deutschen Teams in der Tour-Geschichte.

Hartmut Scherzer

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