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Handball: Gefährliches Spiel

Dem Handball droht die Streichung aus dem Olympiaprogramm, weil die Führung des Weltverbandes um Präsident Hassan Moustafa das Thema Doping ignoriert.

Berlin - Droht dem Handball das olympische Aus? Reiner Witte hält dieses Szenario für möglich. „Wenn sich nichts ändert, steht der olympische Status des Handballs in Kopenhagen auf dem Spiel“, sagt der Präsident der Deutschen Handball-Bundesliga (HBL) besorgt. Anfang Oktober 2009 trifft sich dort das Internationale Olympische Komitee (IOC), um auch über die Zukunft des olympischen Programms zu beraten. Derzeit deutet vieles darauf hin, dass Handball (olympisch seit 1972) dann ausgeschlossen wird. Der Grund: Die Internationale Handball-Föderation (IHF), die ab 16. Januar in Kroatien die WM veranstaltet, erfüllt wesentliche Anti-Doping-Bestimmungen nicht. Ein dringliches Schreiben der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) vom 26. November 2008, das dem Tagesspiegel vorliegt, hat die IHF bislang ignoriert.

Der olympische Status sei „absolut in Gefahr“, bekräftigt auch Hans Holdhaus. Der österreichische Anti-Doping-Experte lässt seine Funktion in der medizinischen Kommission der IHF derzeit ruhen, um seinen ausgezeichneten Ruf als Wissenschaftler nicht zu gefährden. Das komplette Budget der medizinischen Kommission für das Jahr 2008 sei vom ägyptischen IHF-Präsidenten Hassan Moustafa und dem spanischen Schatzmeister Miguel Roca ersatzlos gestrichen worden, erklärt Holdhaus. Zudem habe die IHF-Führung die Anti-Doping-Einheit der IHF kurzerhand aufgelöst. „Keiner weiß, warum“, sagt Holdhaus.

Noch gravierender ist, dass die IHF bislang nicht die obligatorischen Vor-Wettkampf-Kontrollen durchführen lässt, wie das Wada-Schreiben dokumentiert. „Der Präsident möchte über jeden einzelnen Test, der vor dem Wettkampf angesetzt wird, informiert werden“, berichtet Holdhaus. Sein Versuch, „dem Präsidenten zu erklären, dass das den internationalen Standards im Anti-Doping-Kampf widerspricht“, sei gescheitert. Die Dänin Inge- Lis Kastrup, ein weiteres Mitglied der medizinischen Kommission, bestätigt die Vorwürfe. Unabhängige Doping-Kontrollen seien derzeit nicht zu garantieren, berichtet sie. „Unter diesen Bedingungen macht es keinen Sinn, weiterzuarbeiten“, sagt Holdhaus. Die aktuelle Anti- Doping-Politik der IHF-Spitze bezeichnet er als „irre“ und als „ein Trauerspiel“.

Die IHF-Administration in Basel dementiert. Der Vorgang sei ihm „unbekannt“, erklärt IHF-Geschäftsführer Ekke Hoffmann. „Für Kroatien sind mit Francois Gnamian und Ridha Mokni zwei Leute aus der medizinischen Kommission eingesetzt, alles ist bereits organisiert, es finden Dopingkontrollen statt“, so Hoffmann. Holdhaus bescheinigt er einen exzellenten Ruf: „Es wäre schade, wenn ein solcher Fachmann nicht weiter für die IHF arbeiten würde.“

Die IHF gilt ohnehin nicht als Vorreiter in Sachen Dopingbekämpfung. Während bei der WM 2003 in Portugal noch knapp 100 Athleten kontrolliert wurden, waren es bei der WM 2007 in Deutschland nur 72. Geradezu spektakulär geriet der Skandal beim vorolympischen Turnier 2004 in Athen. Als dort bekannt wurde, dass routinemäßige Kontrollen stattfinden würden, setzte die ägyptische Teamleitung fast die Hälfte der Mannschaft auf die Tribüne. Dabei widersprachen die Umstände dieser Affäre allen öffentlichen Beteuerungen („Die medizinischen Sachen sind sehr wichtig für die IHF“) des ägyptischen Präsidenten Moustafa, die Dopingproblematik entschlossen anzugehen. „Du Idiot, alle Mediziner sind Schwachsinnige“, beschimpfte Moustafa in Athen vor Augenzeugen lauthals den damaligen Chef der medizinischen Kommission der IHF, Gijs Langevoort. Der Niederländer, der als engagierter Anti-Doping-Fachmann galt, wurde beim nächsten IHF- Wahlkongress abgesetzt. Stattdessen fand sich plötzlich der unbekannte Ivorer Gnamian an der Spitze der medizinischen IHF-Kommission: Er war in Abwesenheit gewählt worden.

Wada und das IOC, dessen Präsident Jacques Rogge stets die große Bedeutung der Dopingbekämpfung unterstreicht, dürften die bisherige Anti-Doping-Politik des Ägypters nicht durchgehen lassen. Einen „strengen Blick“ auf die Verbände versprach Wada-Präsident John Fahey im November 2008 und setzte eine allerletzte Frist: Bis Mai 2009 müssen alle Wada- Code-Bestimmungen erfüllt sein. Ansonsten sei eine Suspendierung einer Sportart schon vor London 2012 möglich. Moustafa und seine Kollegen an der IHF-Spitze treiben also ein gefährliches Spiel.

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