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Zerreißprobe. Der Berliner Paul Drux und Deutschlands Handballer reisen mit gestiegenen Erwartungen nach Rio de Janeiro.

© dpa

Handball: Paul Drux ist zurück im Geschäft

Der Nationalspieler Paul Drux nähert sich langsam seiner Normalform – ein Sinnbild für Deutschlands Handballer vor Olympia.

Paul Drux hat die Nominierung ganz genau verfolgt, was für eine Frage. Kann ja gut sein, dass ihm diese Herren demnächst im olympischen Dorf über den Weg laufen werden, die Ende Juni von ihrem Glück erfahren haben. Kevin Durant, Klay Thompson, Carmelo Anthony und so weiter und so weiter also. Paul Drux, der Handballer der Füchse Berlin und deutsche Nationalspieler, kann als bekennender Basketball-Fan natürlich alle Mitglieder der US-Auswahl für Olympia zuordnen, und deshalb hat er auch ohne größeres Erstaunen festgestellt, „dass nicht alle Superstars dabei sind, aber das ist ja eigentlich fast immer so“. Nach über 100 Pflichtspielen inklusive Play-offs legen die ganz großen Namen der Branche, etwa LeBron James oder Stephen Curry, in diesem Sommer lieber die Beine hoch, als in Rio an den Start zu gehen. „Das ist ganz schön verrückt“, findet Drux.

Ein freiwilliger Olympia-Verzicht – darauf wäre unter Deutschlands besten Handballern nun wirklich keiner gekommen. Die Konkurrenzsituation im Team von Bundestrainer Dagur Sigurdsson war vielleicht so ausgeprägt wie nie zuvor in der Geschichte des deutschen Handballs – weil es einerseits einen außerordentlich großen Pool begabter Spieler gibt und Coach Sigurdsson andererseits eben nur 14 statt der bei großen Turnieren üblichen 16 Spieler mitnehmen darf.

Drux hat ein bisschen gewackelt

Dass sich Drux einen dieser Plätze gesichert hat, war nicht unbedingt klar. „Paul war einer der Kandidaten, die ein bisschen gewackelt haben“, sagt DHB-Vizepräsident Bob Hanning, der den 21-Jährigen einst aus Gummersbach nach Berlin geholt und im Jugendbereich selbst ausgebildet hat. „Es war wirklich relativ offen, wer mitfahren darf und wer nicht“, sagt Drux. „Wir mussten alle zittern, deshalb war die Freude natürlich riesig, als ich eine Zusage bekommen habe.“

Das Turnier in Rio ist für Drux das zweite große im Männerbereich nach der Weltmeisterschaft 2015 in Katar. Beim sensationellen EM-Sieg im Januar fehlte er, wie viele andere Stammspieler auch, noch wegen einer schweren Schulterverletzung. Sechs Monate und eine Bundesliga-Rückrunde später nähert sich das Ausnahmetalent nun wieder seiner Normalform. „Die Schulter hält, ich habe keine Probleme mehr“, sagt der Rückraumspieler, „ich bin fast wieder bei 100 Prozent.“

"Körperlich sind alle in guter Verfassung"

Drux taugt damit durchaus als Sinnbild für die Handball-Nationalmannschaft, die als Europameister mit gesteigerten Erwartungen im Gepäck nach Südamerika reist. So ganz rund läuft es kurz vor dem Turnierstart nämlich noch nicht für die deutsche Auswahl. Der Niederlage gegen Dänemark bei einem Testspiel in Frankreich folgte kürzlich eine zünftige Wutrede vom Bundestrainer, der die Einstellung kritisierte. „In unserer aktuellen Form reicht es auf gar keinen Fall für mehr als für das Viertelfinale, das ausgegebene Minimalziel“, sagt auch DHB-Vize Hanning. „Körperlich sind alle in guter Verfassung, aber etwas fehlt noch“, ergänzt er.

Zum Beispiel die Feinabstimmung im taktischen Bereich, an der die Auswahl dieser Tage in Hannover gearbeitet hat. Im Zuge des Lehrgangs erhielten die Handballer am Mittwoch auch gleich ihre modische Ausrüstung für die Spiele in Rio. Am Montag fliegt die deutsche Delegation geschlossen nach Brasilien, vorher gibt es noch einmal zwei Tage Kurzurlaub.

"Die Anspruchshaltung ist eine andere"

Wie Deutschlands Handballer in Rio abschneiden werden, dürfte nicht zuletzt von Drux abhängen, der auf der strategisch wohl wichtigsten Position im Handball zu Hause ist, im linken Rückraum. „Wir wissen alle, was auf dem Spiel steht, wir können viel für unseren Sport tun“, sagt der 21-Jährige, „bei den letzten Olympischen Spielen war Deutschland ja bekanntlich nicht dabei.“ Das hat sich dann auch nicht unbedingt positiv auf die Außendarstellung und die Popularität der Sportart ausgewirkt.

Jetzt also Rio, „und man merkt schon, dass die Anspruchshaltung eine andere ist“, sagt Drux. Eigentlich hatte der DHB erst für 2020 Olympia-Gold als perspektivisches Ziel ausgegeben, bis dahin sollte Bundestrainer Sigurdsson ein konkurrenzfähiges Team aufbauen. Wenn alles normal läuft und Verletzungen ausbleiben, ist es keine gewagte Prognose, dass Paul Drux einer der, wenn nicht sogar der Anführer dieses Teams sein wird.

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