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Wie steht’s in Gummersbach? Kiels Kapitän Filip Jicha trieb seine Mitspieler immer wieder an.

© dpa

Handball: THW Kiel gewinnt im Fernduell gegen Rhein-Neckar Löwen

Kiels Handballer überrollen die Füchse Berlin 37:23 – und entscheiden das Meisterschaftsrennen für sich aufgrund des um zwei Zähler besseren Torverhältnisses gegen die Rhein-Neckar Löwen.

Unwirklich, das alles. Als Filip Jicha die silberne Schale in die Höhe reckte, schloss er ungläubig für Sekunden die Augen, unter dem Jubel der mehr als 10 000 Fans in der Kieler Arena. „Ich kann das alles nicht realisieren“, sagte der tschechische Kapitän des THW Kiel später. Aber Jicha und seine Mitspieler hatten tatsächlich die Sensation geschafft. Mit einem furiosen 37:23 (17:8)-Sieg gegen die Füchse Berlin hatten sie die Rhein-Neckar Löwen doch noch überholt in diesem spannendsten Meisterschaftsrennen der deutschen Handballgeschichte, und den 19. Meistertitel an die Kieler Förde geholt. „Man muss schon verrückt sein, um so etwas Überragendes zu schaffen“, sagte hinterher THW-Linksaußen Gudjon Valur Sigurdsson. Auch er war überwältigt.

Am Ende des dramatischen Nachmittags und nach 34 Spieltagen lagen beide Teams mit 59:9 Punkten gleichauf. Allerdings hatten die Kieler zwei Tore Vorsprung auf die Löwen – eine Winzigkeit über die ganze Saison betrachtet. Als die Sirene in der Arena ertönte, wurde es einen Moment lang still: Niemand wusste, wie die Partie der Löwen in Gummersbach ausgegangen war. Aber dann wurde das Resultat bekannt: Die Löwen hatten 40:35 gewonnen – zu knapp, um ihre Tabellenführung zu behaupten. Ein akustischer Orkan fegte durch die Arena auf dem Kieler Kuhberg. „Ich sah Jicha und Marko Vujin auf dem Boden liegen und dachte: Mann, es hat nicht gereicht“, erzählte Kreisläufer Patrick Wiencek hinterher. „Dann kam irgendjemand und schrie: Ihr habt es geschafft.“

Ähnlich ging es seinem dänischen Kollegen am Kreis, René Toft-Hansen. „Ich wusste nicht, was los ist. Dann kam Dominik Klein und brüllte: Wir sind Deutscher Meister. Da habe ich gedacht: Hoffentlich hat er jetzt keinen Witz gemacht.“

Die Füchse Berlin hingegen schlichen vom Feld. „Wir haben dagegen gehalten", meinte Co-Trainer Volker Zerbe, „aber am Ende hat sich gezeigt, dass wir viele angeschlagene Spieler hatten.“ Silvio Heinevetter sah es anders. „Ich schäme mich“, sagte der Füchse-Keeper, der mit 14 Paraden neben Iker Romero der beste Profi bei den Gästen war. „Unfassbar, wie viele technische Fehler wir im Angriff gemacht haben.“

THW Kiel baute von Beginn Druck auf gegen die Füchse Berlin

Die Kieler hatten von Beginn an unglaublichen Druck auf die Offensive der Füchse ausgeübt. In der 3:2:1-Deckung der Gastgeber ragte von Beginn an Kapitän Filip Jicha heraus. Nur eine Viertelstunde lang, bis zur 8:6-Führung des THW, konnte das Berliner Team von Dagur Sigurdsson das Match einigermaßen ausgeglichen gestalten. Doch dann zog die THW-Defensive das Tempo noch einmal spürbar an, stahl Bälle in Serie und lief Schnellangriff auf Schnellangriff. Nach einer Viertelstunde maximaler Entschlossenheit führte der THW zur Halbzeit gegen den Pokalsieger mit neun Treffern.

Die THW-Profis wussten nun, dass die letzte halbe Stunde über die gesamte Saison entscheiden würde. „Aber danach war ich über die Spielstände in Gummersbach nicht informiert“, berichtete Jicha. Der THW startete nach der Pause furios in Halbzeit und lag erstmals vor den Löwen. Aber als die Füchse nach einer kleinen Schwächephase des Gastgebers auf 20:11 verkürzten und die Löwen inzwischen mit acht Treffern in Front lagen, schien das Wettwerfen gegen die Löwen verloren. „Ich bin ehrlich: Da dachte ich, der Titel ist futsch“, sagte Gislason.

Aber der THW hatte schon am vorletzten Spieltag in Lübbecke in den letzten zwanzig Minuten zehn Treffer auf die Löwen gut gemacht und glaubte weiter an eine Wende. Sigurdsson, der erneut großen Kampfgeist verkörperte, setzte mit zwei Treffern innerhalb von Sekunden dann das Signal – und zehn Minuten vor Schluss, als der THW durch einen Durchbruch Jichas mit 29:17 führte, war wieder alles offen, da die Löwen in Gummersbach nun nachließen. Als erneut Jicha zum 33:18 traf (54.), lag der THW im Fernvergleich mit den Löwen ein Tor vorn, zwei Minuten vor Schluss dann sogar mit vier Toren.

Am Abend zelebrierten mehr als 20 000 Fans die unerwartete Titelverteidigung auf dem Rathausplatz. Aber exzessiv feierten die Profis des THW nicht. Trainer Alfred Gislason setzte für Sonntag, 11 Uhr, ein Training an. „Wenn wir jetzt lange feiern, haben wir nächstes Wochenende keine Chance“, sagte der Isländer. Dann kämpfen die Kieler in Köln um den Sieg in der Champions League. Sie wollen nun ein zweites sportliches Wunder.

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