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Wohin geht es denn? Das Spiel in Freiburg sollte Mirko Slomka (li.) besser nicht verlieren.

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Hannover 96: Leidenschaft – sonst leidet Trainer Slomka

Wenn Mirko Slomka mit Hannover 96 im letzten Spiel des Jahres am Sonnabend in Freiburg verliert, kann es für ihn ganz eng werden. Der allmächtige Klubchef Martin Kind fordert eine leidenschaftliche Vorstellung.

Von Christian Otto

Ihre letzte Dienstreise des Jahres bleibt mit einer entlarvenden Abstimmung verbunden. Möchten die Profis von Hannover 96, die auswärts das schlechteste Team der Fußball-Bundesliga bilden, ihren Trainer wirklich behalten? Mirko Slomka steht unter Beschuss und kurz vor der Entlassung, weil die Mannschaft seine Vorgaben nicht mehr in vorzeigbare Taten umsetzt. Ob Torjäger Mame Diouf und Kollegen es nicht mehr besser können oder einfach nicht wollen, möchte vor allem einer wissen. „Mich interessiert mehr die Leistung als das Ergebnis“, sagt Martin Kind, der mächtige Klubpräsident, mit Blick auf den 17. Spieltag. Wenn Slomkas Team am Sonnabend (15.30 Uhr) beim SC Freiburg antritt, geht es auch um die Weiterbeschäftigung des äußerst ehrgeizigen, aber zuletzt ziemlich erfolglosen Trainers.

Im täglichen Miteinander, das unter der sportlichen Misere der Niedersachsen zunehmend leidet, lässt sich Slomka kaum etwas anmerken. „Wir können vieles besser machen“, sagt der 46-Jährige und bleibt viel zu stolz, um von einer echten Krise zu sprechen. Er glaubt fest daran, dass er auch im neuen Jahr noch im Amt ist. Zwei Spielzeiten lang war Slomka für das Kunststück bestaunt worden, mit einem eher als durchschnittlich eingestuften Team bis in die Europa League gestürmt zu sein. Dass es ihm nicht gelingen will, diese Erfolge zu wiederholen und mit dem nach seinen Wünschen verstärkten Kader für eine Weiterentwicklung zu sorgen, könnte ihm zum Verhängnis werden. Der Wunsch nach einem neuen Stürmer, der während der Winterpause verpflichtete werden sollte, ist auf Eis gelegt. Slomka wird nach der letzten Partie der Hinrunde vielmehr ein Personalgespräch beim Chef hinter sich bringen müssen. „Wir stecken in einer Leistungskrise. Die Defizite sind nicht zu übersehen“, findet Kind und meldet Gesprächsbedarf an, der den Druck auf seinen leitenden Angestellten erheblich erhöht.

Mit der Frage, ob Slomka seinen bis zum Sommer 2016 laufenden Vertrag in Hannover erfüllen darf, sind wichtige Personalentscheidungen verknüpft. Der derzeit beste 96-Stürmer Diouf etwa lässt sich aufreizend viel Zeit mit seiner vom Verein erhofften Vertragsverlängerung. Auch Ron-Robert Zieler, einer der besten deutschen Torhüter, wartet lieber ab, als offensiv das Gespräch zu suchen. Nicht nur dem unzufriedenen Publikum, sondern auch so manchem Stammspieler scheint das Vertrauen in die Wirkungskraft von Slomka verloren gegangen zu sein. „Am Trainer liegt es wirklich nicht“, beteuert Mittelfeldspieler Leon Andreasen. Aber die Mannschaft tut auch wenig bis gar nichts, um ihre sportliche Leitung aus der Schusslinie zu nehmen. Im jüngsten Heimspiel gegen den abstiegsgefährdeten 1. FC Nürnberg (3:3) hatte Hannover drei Gegentore innerhalb von nur elf Minuten kassiert und war völlig orientierungslos einer Blamage entgegengetaumelt.

Die Historie von Hannover 96 lässt hoffen, dass aus Fehlern der Vergangenheit gelernt wurde. Kind bereut es bis heute, dass er einem zwischenzeitlich erfolglosen Trainer namens Ralf Rangnick, den er im März 2004 entlassen hatte, nicht mehr Zeit zur Besserung einräumen wollte. In 14 Jahren am Schalthebel der Macht hat der Präsident nicht weniger als zehn Trainer und acht Manager entlassen. Slomka darf sich in seine Vita schreiben, dass er Hannover 96 im Sommer 2010 wie durch ein Wunder vor dem Abstieg gerettet und danach wieder salonfähig gemacht hat. Seit fast vier Jahren hält er sich schon auf dem früheren Schleudersitz. Slomka war zwischenzeitlich so erfolgreich bis galant, dass der ihm auffällig wohlgesonnene Medienboulevard sogar einen Wechsel zum FC Bayern München oder eine Nachfolge von Bundestrainer Joachim Löw in Erwägung gezogen hatte. Jetzt führt er ein kunterbuntes, mehr als 60 Millionen Euro teure Ensemble aus aller Welt an, das durch Verletzungen, Sperren und Auswärtspleiten von sich reden macht. Der Vorwurf, dass sich unter seiner Regie eine ungenügende Fitness bei den Spielern eingeschlichen hat, trifft Slomka hart. „Ob ein Spieler zwei Kilometer mehr oder weniger in einem Spiel läuft, hat nichts mit Erfolg oder Misserfolg zu tun. Das Ergebnis hat nichts mit der Laufleistung zu tun“, beteuert jener Übungsleiter, der moderne Methoden und Taktiken liebt.

Ein paar Kilometer mehr, vielleicht der erste Auswärtspunkt beim Spiel in Freiburg, aber zumindest ein Hauch von Leidenschaft: Die Spieler können sich leicht ausrechnen, wie sie dem studierten Mathematiklehrer Slomka doch noch den Job retten.

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