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Sport: Hans fährt mit

Eine Halskrause soll in der Formel 1 mehr Sicherheit garantieren – aber sie passt noch nicht jedem Fahrer

Berlin. Wohl dem, der in der Formel 1 einen langen Hals hat. Michael Schumacher zum Beispiel, der fünfmalige Weltmeister, weist diese anatomische Besonderheit auf. Damit ist anzunehmen, dass er in der kommenden Saison weniger Probleme mit einer Regeländerung haben wird als seine Konkurrenten, bei denen der Abstand zwischen Schulter und Kopf etwas kürzer ausgefallen ist. Der Grund ist, dass alle Fahrer ab dem Saisonauftakt 2003 in Melbourne mit Hans ins Cockpit steigen müssen. Hans (Head and neck support) ist eine über dem Oberkörper verlängerte Halskrause. Sie wird über Halteseile mit dem Helm des Fahrers verbunden und soll bei Frontalunfällen Überstreckungen im Hals-Nacken-Bereich verhindern.

Worüber in der amerikanischen Cart-Serie und beim Deutschen Tourenwagen-Masters niemand mehr diskutiert, damit können sich in der Formel 1 jedoch noch nicht sehr viele Fahrer anfreunden. Jacques Villeneuve, der frühere kanadische Weltmeister aus dem BAR-Team, einer mit etwas kürzerem Hals, behauptet sogar: „Ich kann das System nicht einmal um meinen Hals legen.“ Andere, so der Sauber-Pilot Nick Heidfeld, beklagen „Kopfschmerzen und Konzentrationsprobleme“. Aber so schlimm kann es mit dem Gewöhnen an Hans offensichtlich doch nicht sein. Nachdem sich 44 Tage lang kein Rad in der Formel 1 mehr gedreht hatte, begannen gestern, genau 101 Tage vor dem Trainingsbeginn zum ersten Grand Prix in Australien, die Teams in Spanien wieder mit ihrem Testprogramm. „Hans ist für uns jetzt kein vorrangiges Thema“, sagt Wolfgang Schattling, der Mercedes-Pressechef. Vielleicht deshalb, weil auch Fahrer David Coulthard einen eher langen Hals hat und ihn Hans nicht im Nacken drücken wird. Aber für jeden anderen Fahrer wird spätestens bis zum ersten Training zum Grand Prix in Melbourne garantiert eine Lösung gefunden sein. Tragen müssen sie Hans auf jeden Fall, ohne Ausnahme.

Wenn es um die Sicherheit in der Formel 1 geht, sind Kompromisse oder Konzessionen ohnehin der falsche Weg. Das betont auch immer wieder jener grauhaarige Mann im blauen Rennoverall, der dazu da ist, Leben zu erhalten, sich aber mit Leuten einlässt, die ihr Leben riskieren: Sid Watkins. Seit 1978 ist der Neurochirurg aus London Chefarzt bei sämtlichen Grand Prix in der Formel 1 gewesen. Inzwischen ist er 72 Jahre alt und hat immer noch nicht genug. Daran werde sich wohl auch nichts ändern, „bis ich entbehrlich, vielleicht ein wenig sonderbar oder sogar senil werde“, sagt Watkins. Was zugleich eine Beruhigung für die Fahrer ist, die in ihrem Doc Watkins so etwas wie eine Lebensversicherung sehen.

In „Stars & Cars“, dem Motorsport-Magazin von Daimler-Chrysler, werden aber auch die schweren Unfälle aufgezählt, bei denen der Arzt nicht mehr helfen konnte. „Prof, ich werde dich hoffentlich nie brauchen“, hat Gilles Villeneuve einmal zu Watkins gesagt, doch nach einem Crash 1982 in Zolder konnte Watkins ihm auch nicht mehr helfen. Bei Ayrton Sennas Unfall 1994 in Imola auch nicht. Doch gerade diese Unfälle waren es, die den auf Gehirnschäden spezialisierten Arzt nicht ruhen ließen, sich für immer mehr Sicherheit der Fahrer in der Formel 1 zu engagieren. Dass es seit Sennas Tod vor acht Jahren kein Opfer mehr unter den Fahrern zu beklagen gibt, die längste Phase überhaupt in der Grand-Prix-Geschichte, ist auch sein Verdienst.

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