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Sport: Hart, schlau, gut gelaunt

Tom Boonen ist der neue Star der Rad-Szene

Er wird nie ein zweiter Eddy Merckx, und er wird wohl auch nie die Tour de France gewinnen. Dazu verliert Tom Boonen in den Bergen zu viel Zeit. Aber der 1,92 Meter große Junge mit dem sonnigen Gemüt aus dem belgischen Balen ist der neue Star in der Rad-Szene. Mit gerade erst 24 Jahren. Sowohl die Flandern-Rundfahrt als auch Paris – Roubaix an zwei aufeinander folgenden Sonntagen zu gewinnen, haben zwar auch acht andere Radprofis in der über hundertjährigen Geschichte der beiden Rennen geschafft. Aber Eddy Merckx zum Beispiel nicht.

Boonen ist in Belgien ein Teenagerschwarm, der mit seinem Aussehen und Auftreten auch in einer Popgruppe spielen und Titelgeschichten für die Jugendmagazine liefern könnte. Aber Boonen interessiert der Star-Rummel nicht. Er will sich Träume erfüllen, der Sieg bei Paris-Roubaix, der „Königin der Klassiker“, war einer davon.

Eigentlich ist Boonen mit seinen 80 Kilogramm ein wuchtiger Sprinter, der gegen die Petacchis, Freires und Zabels in die Pedale tritt und letztes Jahr auf den Champs-Elysées in Paris die Schlussetappe der Tour de France gewann. Aber in diesem Frühjahr demonstrierte der kräftige Belgier trotz seiner Jugend auf dem Kopfsteinpflaster bereits erstaunliche Härte, Durchsetzungsvermögen sowie Strategie und Schläue.

Sein Profilehrjahr hatte Boonen 2002 bei Lance Armstrong im US Postal Team absolviert. Das rigide Regiment des dominanten Amerikaners war zwar nicht seine Welt, er flüchtete schnell wieder. Aber das Jahr war trotzdem nicht verloren. Boonen hat viel von der rigorosen Ausscheidungsmethode Armstrongs gelernt, wie er jetzt zeigen konnte. Zum Beispiel auf dem Weg nach Roubaix.

Schon 80 Kilometer vor dem Ziel, auf der mit 3700 Metern längsten Passage, wurde er Steffen Wesemann durch einen Angriff los, den er selbst als ungewöhnlich früh und riskant einschätzte. Dann galt es, aus dem Spitzenquintett die beiden Schnellsten, die Skandinavier Michaelsen und Backstedt (Sieger 2004), abzuschütteln. Von George Hincapie und Juan Antonio Flecha wusste er, dass sie im Endspurt auf dem Velodrom keine Gefahr für ihn bedeuten würden. „Hincapie hat noch nie ein großes Rennen gewonnen, Flecha zwar schon die Meisterschaft von Zürich. Doch so eine Situation war auch für ihn völlig neu“, urteilte Boonen. Also hatte der Sprintspezialist (31 Siege, davon sieben in dieser Saison) allen Grund, „am wenigsten nervös zu sein, obwohl ich ein bisschen müde war und mich nicht so gut fühlte, wie ich dachte“. Nach seinen beiden Klassiker-Siegen und dem 9. Platz bei Mailand – San Remo ist er nun der Spitzenreiter der Pro Tour.

Wer schon mit 24 erstmals Paris – Roubaix gewinnt, scheint prädestiniert, den Rekord von vier Siegen von Roger de Vlaeminck aus den Siebzigerjahren zu brechen. „Abwarten, was in fünf, sechs Jahren ist“, wehrt er ab. Nach seinem Doppelsieg und einer kurzen Rennpause konzentriert sich Boonen lieber auf realistische Ziele: „Ich will das Grüne Trikot bei der Tour und den Weltmeistertitel in Madrid gewinnen.“

Hartmut Scherzer[Roubaix]

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