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Das war es. Piotr Malachowski (hinten) hat nur Silber, Christoph Harting (vorn) hat Gold.

© Reuters/Pfaffenbach

Update

Gold im Diskuswerfen: Harting bleibt Olympiasieger

Sein Bruder Robert scheiterte in der Qualifikation: Nun holt Christoph Harting im letzten Versuch mit dem Diskus Gold – und verstört anschließend mit merkwürdigem Verhalten.

Ganz am Ende, Christoph Harting hatte das für ihn anscheinend so schmerzhafte Procedere beinahe überstanden, passierte es. Ein Reporter richtete in der Pressekonferenz der drei Medaillengewinner eine Frage an den neuen Diskus- Olympiasieger – und adressierte sie an „Mister Robert Harting“. Christoph Harting, der gerade Gold gewonnen hatte und aus dem gigantischen Schatten seines Bruders getreten war, lachte gespielt lauthals auf und warf seine Hände in die Luft. „Oh Jesus“, sagte er nur. „You can go.“ Die Pressekonferenz war beendet.

Es war eine bittere Pointe eines ansonsten brillanten Tages für Christoph Harting. Der 25-Jährige hatte im Estádio Olímpico João Havelange den Wettkampf seines Lebens abgeliefert, im letzten Versuch den Diskus zu Gold gefeuert. Eigentlich hätte sich alles nur um ihn drehen sollen – und doch schien sein sechs Jahre älterer Überbruder ihm immer noch über die Schulter zu blicken.

Die Zuschauer hatten von den Diskuswerfern einen mitreißenden Wettkampf geboten bekommen, im sechsten Durchgang wurde das Tableau noch einmal völlig durcheinander gewirbelt. Als Christoph Harting zu seinem letzten Versuch in den Ring stieg, war er gerade vom Silberrang auf den vierten Platz zurückgefallen. Doch der 2,07 Meter große Harting bewies, dass er mittlerweile auch über starke Nerven verfügt. Der Diskus landete bei seiner persönlichen Bestweite von 68,37 Metern, der zuvor führende Pole Piotr Malachowski konnte nicht mehr kontern. Hinter Malachowski wurde der Bochumer Daniel Jasinski Dritter.

Harting verbeugte sich galant in alle vier Himmelsrichtungen, band sich eine schwarz-rot-goldene Fahne um die Hüften und begab sich auf die Ehrenrunde. Bei der Siegerehrung konnte er nicht stillstehen. Als die deutsche Nationalhymne erklang, zappelte er dermaßen herum, dass ihm eine kleine Plakette, die alle Medaillengewinner bekommen, aus der Hand fiel und auf dem Boden zersprang.

Was andere über Christoph Harting denken, ist dem angeblich "völlig egal"

Robert Harting verfolgte den familiären Triumph im Stadion, die beiden Brüder und Trainingspartner verbindet eine komplizierte Beziehung. Der ältere Bruder hat den jüngeren in der Vergangenheit bisweilen bevormundet und getriezt. Auch weil er das Gefühl hatte, Christoph verschwende sein Talent. Via Facebook gratulierte er kurz nach dem Wettkampf dem neuen Olympiasieger. „Hey kleiner Bruder, der Generationenwechsel ist eingeleitet. Ich freue mich extrem für dich. Du hast einen klaren Harting im letzten Versuch gezeigt.“ Auf Fragen zum schwierigen Verhältnis der Brüder hatte der sonst so gesprächige und meinungsstarke Robert zuletzt immer nur geantwortet: „Ich sage dazu nur: Wir lieben unsere Eltern.“

Christoph Harting hatte im vergangenen Jahr noch weniger in der Öffentlichkeit gesprochen – nämlich überhaupt nicht, seit der WM in Peking vor einem Jahr lehnt er alle Fragen und Interviewwünsche ab. So hielt er es zunächst auch nach seinem Olympiasieg, die wartenden deutschen Reporter ließ er mit einem knappen „Mahlzeit“ stehen. Das Protokoll der Olympischen Spiele sieht aber nun einmal eine Pressekonferenz für die Medaillengewinner vor.

Und schon bei der Vorstellung der drei Diskuswerfer schien er kurz zusammenzuzucken, als die Pressesprecherin des Olympiastadions in ihrem ersten Satz betonte, er trete „in die Fußstapfen seines Bruders Robert“. In seinem ersten Statement betonte Harting, er sei „kein PR- Mensch“ sondern Sportler und beantworte Fragen nur extrem ungern, er habe in der Vergangenheit in dieser Hinsicht schlechte Erfahrungen gemacht. „Ich genieße das, was im Stadion passiert ist“, sagte Harting. „Alles andere überlasse ich Leuten, die mehr zu sagen haben.“

Christoph Harting vermied es auch auf Nachfrage krampfhaft, über seinen Bruder zu sprechen – und tat es dann irgendwie doch. Es gebe nun einmal verschiedene Persönlichkeiten, referierte er. Es gebe Extrovertierte, die immer genau wüssten, was sie wollten. Er selbst sei hingegen introvertiert. „Ich fühle mich hier völlig fehl am Platz, ich fühle mich gerade echt unwohl“, sagte Christoph Harting. „Ich muss vor niemandem von ihnen besonders gut dastehen. Und was sie über mich denken, ist mir völlig egal.“

Piotr Malachowski wurde noch gefragt, was es für ein Gefühl sei, nach etlichen Niederlagen gegen seinen ewigen und zumeist übermächtigen Kontrahenten Robert Harting nun auch gegen dessen Bruder zu verlieren. „Jeder Mensch hat wohl einen Harting in seinem Leben“, sagte der 33-Jährige. „Ich habe eben zwei.“ Daneben saß der neue Olympiasieger und wirkte, als würde ihm ein Harting an diesem Tag ebenfalls genügen.

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