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Sport: Hat jemand den Trainer gesehen?

Ganz Kiel feiert die unglaubliche Handball-Saison des THW – nur Coach Serdarusic nicht

Den Sonntag hätte Zvonimir Serdarusic gern beim Angeln verbracht, doch er musste ins Feindesland. Einen Tag nach dem Gewinn des historischen Triple saß der 56 Jahre alte Trainer des neuen deutschen Rekordmeisters THW Kiel schon wieder gut gelaunt und versöhnlich gestimmt auf der Bank und coachte in der Flensburger Campushalle eine bunte Auswahl Ehemaliger im Abschiedsspiel des Flensburger Torwarts Jan Holpert. So ersparte sich der THW Kiel immerhin eine Vermisstenmeldung: Gleich nach dem 34:28 des THW Kiel am Samstagnachmittag gegen die HSG Nordhorn war Serdarusic nämlich wie vom Erdboden verschluckt. Der THW hatte seine unglaubliche Saison mit den Triumphen im DHB-Pokal und der Champions League gerade durch die 13. Meisterschaft gekrönt, doch im allgemeinen Jubel der Ostseehalle suchte Serdarusic wie gewohnt die Ruhe seiner Trainerkabine.

Die Zigarette danach, für den öffentlichkeitsscheuen Meistertrainer ist sie auch eine Flucht vor zu großen Gefühlen. Das schwarzweiße Konfetti flog, metallene Buchstaben „THW“ hingen illuminiert von der Decke, Champagner spritzte, Tränen flossen und Hunderte von Luftballons flogen von der Decke – Serdarusic hat all das nicht gesehen. Er saß da und rauchte, bekam später Besuch vom anderen Teil des alten Kieler Paars, das im 13. Jahr der Partnerschaft nun von Superlativen überhäuft dasteht im Zentrum der Handball-Welt. Uwe Schwenker gesellte sich hinzu. Man genoss einen Moment der Ruhe. „Unser Trainer freut sich im Stillen“, sagte der Manager, „das ist seine Art.“ Schwenker dagegen lebt extrovertiert für den THW. Schon vor dem Ende der grandiosen Saison hat er den Grundstein für neue Heldentaten gelegt und den Lemgoer Schützen Filip Jicha sowie den Nordhorner Spielmacher Börge Lund geködert. Beide sollen schon im Sommer nach Kiel wechseln.

Serdarusics intimer Rückzug nach der größten Saison ging weiter am Sonntag. Als das Team in rote Königsmäntel gehüllt den 20 000 jubelnden Fans auf dem Rathausplatz die Schale präsentierte, fehlte der Trainer ebenso wie beim Autokorso. Dieses Mal fiel die Freude noch introvertierter aus, weil Serdarusic höllisch unter Knieschmerzen an seinem mehrfach operierten Gelenk litt, wie er später erzählte. Nur mit Schmerztabletten hatte er das Spiel überstanden und sich dann rasch nach Hause verzogen.

Man sah ihm die Spuren der langen Saison an. Seit Monaten schon spricht er nur noch das Nötigste. Seit er sich in einem Interview mit der „Sport-Bild“ falsch wiedergegeben fühlte, hat Serdarusic die Medien mit einem Boykott überzogen. Es war die „Affäre Fritz“: Serdarusic hatte den Nationaltorwart aussortiert, weil er Thierry Omeyer für stärker hielt. In dem Interview sprach er die schlechten Trainingsleistungen des Keepers an und rechtfertigte die Versetzung auf die Bank. Daraus wurde dann bundesweit die Geschichte, wie Serdarusic den deutschen Nationaltorwart desavouierte. Es gab Anfeindungen von vielen Seiten. „Ich habe die schlimmste Zeit meines Lebens hinter mir“, sagte Serdarusic dieser Zeitung vor einer Woche. „Ihr habt eure Geschichte gehabt, und jetzt rede ich nicht mehr.“

Er überließ den gefeierten Helden die Bühne. Vor allem einem: Stefan Lövgren. Nur Insider wussten, dass der 36 Jahre alte Kapitän schon ein paar Mal wieder trainiert hatte, sieben Wochen nach seiner schweren Leistenverletzung aus dem Pokalfinale. Als Lövgren Ende April ausfiel, hatte Serdarusic noch sieben Feldspieler; acht, nachdem man den 42 Jahre alten Andrej Tschepkin geholt hatte. Mit diesem Mini-Kader zum Triple – eigentlich eine unmögliche Leistung.

Als es nach zehn Minuten der Partie am Samstag düster für den THW aussah, weil die Nerven blank lagen und Nordhorn stark spielte, kam Lövgren. Und wie. „Ohne Stefan wäre es heute schwer geworden“, sagte Serdarusic. Lövgren ist der Kopf der jungen Mannschaft. Er führte sie zum letztlich sicheren Sieg, der den Erfolg des HSV Hamburg in Göppingen wertlos machte, weil der THW die bessere Tordifferenz besitzt. „Wir haben ein super Umfeld, einen super Trainer und super Fans. In Kiel kommt einfach alles zusammen“, sagte Lövgren.

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