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Sport: Haue für den Häftling

Wladimir Klitschko schlägt ohne Aufregung Jameel McCline und erobert das Herz von George Foreman

Las Vegas. Schach im Ring ist nicht nach dem Geschmack der Amerikaner, selbst wenn Wladimir Klitschko mit kluger Strategie Jameel McCline noch so eindrucksvoll matt setzte. Um Amerika im Sturm zu erobern, sind Action und Spektakel erforderlich. Die Zuschauer im Event Center des Mandalay Bay Hotels in Las Vegas brachten rundenlang mit Buh-Chören ihre Langeweile und ihr Missfallen zum Ausdruck. Mancher mag gedacht haben, wäre ich nur zum Rodeo-Finale nebenan im Thomas & Mack Center gegangen, oder würde sich doch Mike Tyson im Ring prügeln und nicht teilnahmslos in der dritten Reihe sitzen.

Und dann wurde dem Publikum in der Arena und vor den Bildschirmen auch noch der finale Knockout vorenthalten, sozusagen die Entschädigung. Der großväterliche Boxtrainer Jimmy Glenn gab gegen den nicht sonderlich heftigen Widerstand seines Schützlings den Kampf nach der zehnten Runde auf. Offizielles Ergebnis: Klitschko Sieger durch Technischen K. o. nach Ende der zehnten Runde. Unter einer schnellen Schlagfolge von zwei wuchtigen linken Haken und einem harten rechten Uppercut des entschlossenen weißen Riesen (108,9 kg) war der schwarze Koloss (119,3 kg) in seiner Ecke zusammengesackt.

Der jüngere Klitschko beendete die wenig aufregende Show mit der einzig dramatischen Aktion des ganzen Kampfes. Bei „Neun“ hatte sich McCline, der einstige Häftling, wieder aufgerappelt. Ringrichter Jay Nady gab den Kampf auch frei. Doch erst der Gong und dann Glenn kamen dazwischen. „Jameel war müde. Ich wollte nicht, dass er Schaden nimmt“, begründete der 72 Jahre alte Sekundant die Aufgabe. „Eine richtige Entscheidung“, fand der 26-jährige WBO- Weltmeister im Schwergewicht nach seinem 40. Sieg im 41. Kampf: „In der elften Runde wäre McCline schwer k. o. gegangen.“ An dem Langweiler von Las Vegas traf den strahlenden Sieger keine Schuld. Zu einem packenden Kampf gehören schließlich zwei. Der Ukrainer demonstrierte seine Klasse. Der amerikanische Hüne jedoch kämpfte nicht, sondern wollte nur überleben. „McCline war schrecklich“, fällte der legendäre Fernseh-Kommentator von HBO, Larry Merchant, ein vernichtendes Urteil. „Er ist nicht angetreten, um zu gewinnen.“ Wenn nicht, dann nur um die 1,25 Millionen Dollar Börse abzuholen? „Ich weiß nicht, was in seinem Kopf vorging“, jammerte McClines Promoter Cedric Kushner.

Wladimir Klitschko beherrschte allein mit seiner linken Führungshand den zögerlichen, fast ängstlichen Gegner. Dessen rechtes Auge war unter den stechenden linken Faustschlägen halb zugeschwollen. „Es mag ein bisschen langweilig gewesen sein und die Aufregung gefehlt haben“, sagte Wladimir Klitschko mit charmantem Lächeln am Rednerpult der Pressekonferenz. „Aber man muss auch Geduld haben, bis der Gegner müde und unkonzentriert wird.“ Warum also sollte er ein unnötiges Risiko eingehen? Der Show wegen Kopf und Kragen riskieren? „Ich war vorsichtig und hatte nicht die Absicht, zu beweisen, wie hart mein Kopf ist. Den brauche ich noch in Zukunft.“

„Der zukünftige Champion wird Wladimir sein und es über Jahre auch bleiben“, prophezeit Altmeister George Foreman. „Dieser Klitschko ist ein feiner Boxer, sehr geschickt, bewegt sich gut, um Schläge zu vermeiden, lässt sich durch Buhrufe nicht von seiner Strategie abbringen. Er hat Power in seinen Fäusten, besitzt Ausdauer – das ganze Paket eben. Auch wenn das Schwergewicht derzeit armselig ist – dieser Kerl ist gut. Ich würde ihn gerne gegen Mike Tyson sehen.“

Im März wird Wladimirs älterer Bruder Witali Klitschko gegen Lennox Lewis, den Champion aller Champions boxen. George Foreman wird also noch oft Gelegenheit haben, zusammen mit Larry Merchant Klitschko-Kämpfe für HBO zu kommentieren. Der Abonnement-Sender hat Manager Klaus-Peter Kohl einen Vertrag über sechs Kämpfe Wladimirs in den USA zur Unterschrift vorgelegt. „Wir stehen vor dem Abschluss“, bestätigte der Universum-Boss. Über zwei Millionen Dollar, bezahlt von HBO und ZDF, betrug diesmal schon die Börse. Auch ohne Hurra – die Klitschkos erobern auf ihre Weise Amerika.

Hartmut Scherzer

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