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Sport: Hauptsache Ball

Er tauscht 98 000 Fans gegen ganze 2000 und riskiert auch noch, sich übel zu verletzen. Hat Henrik Larsson eine Wette verloren? Warum der schwedische Fußballstar auf einmal Hockey spielt

In der letzten Winterpause spielte Larsson auch schon mal für Manchester United

Am 19. November tut Henrik Larsson in der Arena von Amsterdam das, was er immer tut. Mit der Binde des Kapitäns am Arm führt er die schwedische Nationalmannschaft aufs Feld, danach rennt, grätscht und köpft Larsson gegen Spieler wie Wesley Sneijder, Robin van Persie und Dirk Kuyt mit der Hingabe, für die er seit 19 Jahren als Fußballprofi bekannt ist. Vier Tage später betritt Larsson eine ganz andere Arena. Auf dem Rücken trägt er die Nummer 17, nicht die 11, die er aus der Nationalmannschaft gewohnt ist. Vor allem aber hält Larsson einen Plastikschläger in der Hand, Grätschen sind nicht gefragt an diesem Sonntag, Kopfbälle zumindest nicht zu empfehlen: Larsson gibt für den FC Helsingborg sein Debüt in der schwedischen Innebandy-Superliga.

Larsson hat 102 Mal für sein Land gespielt, er war vier Mal Meister in Schottland, zwei Mal in Spanien, er hat die Champions League gewonnen. Egal ob für Feyenoord Rotterdam, den FC Barcelona, Manchester United oder Celtic Glasgow: Larsson hat Tore geschossen, viele Tore. In Schweden ruht der Fußball zurzeit, die Saison ist seit November beendet, Larsson ist mit Helsingborg IF Vierter geworden. Jetzt spielt er für einen Abstiegskandidaten in einer Hallensportart, die außerhalb Skandinaviens kaum jemanden interessiert. In Deutschland ist Innebandy als Unihockey bekannt, international nennt es sich Floorball. Die Tore sind ähnlich groß wie beim Eishockey, das Feld hat die Ausmaße wie beim Handball. Gespielt wird mit fünf Spielern und einem Torwart, der Ball ist kleiner und wesentlich leichter als beim Hockey. Was bringt einen 37-jährigen Star dazu, ohne Gehalt einen Sport auszuprobieren, bei dem er sich eigentlich nur lächerlich machen kann?

Über diese Frage hat sich ganz Schweden in den letzten Wochen den Kopf zerbrochen. Ist es ein PR-Gag? Will er sich vor dem harten Wintertraining auf vereisten Fußballplätzen drücken? Hat er eine Wette verloren? Nun ist es nicht völlig ungewöhnlich, dass Fußballer sich in einer anderen Sportart versuchen. Axel Kruse und Manfred Burgsmüller haben American Football gespielt, Mehmet Scholl kegelt auf seine alten Tage noch ein bisschen, der Uruguayer José Leandro Andrade verdiente in den zwanziger Jahren Geld als Tänzer. Aber Larsson ist noch nicht zurückgetreten. Die Celtic-Fans liegen ihm heute noch zu Füßen, wählten ihn als einzigen Nicht-Schotten in die beste Celtic-Elf aller Zeiten und verliehen ihm den absolutistischen Spitznamen „King of Kings“. In Schweden wurde „Henke“ – wie er überall genannt wird – jüngst zum besten Fußballer der letzten 50 Jahre gewählt, er ist aktueller Kapitän der Nationalelf.

Genau deshalb ist Larssons Innebandy-Debüt zurzeit das Thema der schwedischen Sportseiten. Als Larsson am Sonntag gegen Jönköping beim Stand von 1:4 erstmals eingewechselt wird, verfolgen 200 000 Schweden am Fernseher jede seiner Bewegungen in einer Live-Übertragung. In der Halle in Helsingborg klatschen und toben 2000 Zuschauer – sonst kommt gerade einmal die Hälfte. Aus dem ganzen Land sind Journalisten angereist, um zu notieren, wie oft Larsson eingewechselt wird (sieben Mal), wie viele Minuten er auf dem Feld steht (sechs von insgesamt 60) und wie viel Ballkontakte er hat (elf). Mit dem Fußballer dreht sich das Spiel, Helsingborg holt auf, rettet sich in die Verlängerung und gewinnt am Ende 7:6 durch Sudden Death. „Larsson sah so glücklich aus wie bei seinem Tor gegen Bulgarien 1994“, schreibt die Fachzeitschrift „Innebandymagazinet“ und meint damit das Spiel um Platz drei bei der Fußball-WM in den USA, das Schweden 4:0 gewann. „Ich war total nervös vor dem Spiel“, sagte Larsson selbst. „Aber das ist nur ein Zeichen dafür, dass alles normal ist.“

Alles normal? In der vergangenen Winterpause ließ sich Larsson für einige Wochen und viel Geld von Manchester United unter Vertrag nehmen, Sir Alex Ferguson brauchte die Dienste eines international erfahrenen Stürmers. In diesem Winter heißt Larssons Ferguson Mikael Karlberg. Er trainiert die Innebandy-Männermannschaft des FC Helsingborg. Auch Karlberg spricht von einer „sehr ungewöhnlichen Entscheidung“, wenn er davon berichtet, warum er plötzlich einen Superstar trainiert. Ein Vorstandsmitglied habe den Kontakt zu Larsson hergestellt, der einfach Lust auf den Sport gehabt habe. „Ich stelle ihn auf, weil er gut ist“, sagt Karlberg bestimmt. „Und nicht, weil er berühmt ist.“

In seiner Jugend hat Larsson Innebandy gespielt, in Skandinavien ist der Sport überaus populär. Rund sieben Prozent aller Schweden spielen einmal im Monat Innebandy, der Landesverband hat mehr Mitglieder, als es eingetragene Eishockeyspieler und Handballer gibt. Larsson versucht sich in der höchsten Liga, wo jede Mannschaft drei oder vier Spieler hat, die ihren Lebensunterhalt mit Innebandy verdienen, einige Klubs beschäftigen Auslandsprofis aus Finnland oder der Schweiz. Magnus Fredriksson, Redakteur beim „Innebandymagazinet“, ist trotz Larssons erfolgreichen Debüts von den Fähigkeiten des Fußballers noch nicht völlig überzeugt: „Er hat keine tolle Technik, und er kann nicht besonders gut schießen.“ Nur wenn er über Larssons Athletik spricht, kommt der Journalist regelrecht ins Schwärmen. „Er hat den perfekten Körper für Innebandy, er ist leichtfüßig, ausdauernd und hat einen schnellen Antritt.“

Frederiksson hofft nun, dass Innebandy durch Larsson auch im Ausland populärer wird. Obwohl der Sport auch in Deutschland schnell wächst, sind gerade einmal 6000 Spieler in rund 130 Vereinen organisiert. In der nächsten Woche beginnt die WM in Tschechien; Schweden ist Favorit, Deutschland tritt in der B-Gruppe an. „Wenn jemand in Deutschland gefragt wird, was das für ein komischer Sport ist, kann er jetzt sagen: Das ist der Sport, den Henrik Larsson spielt“, sagt Frederiksson.

Im Schwedischen Fußball-Verband sieht man die Angelegenheit weniger euphorisch. Was ist, wenn sich Larsson verletzt? Beim Innebandy gibt es keine harten Bodychecks wie beim Eishockey, dafür viele kurze Sprints, Stopps und Richtungswechsel auf einem stumpfen Hallenboden – Gift für alternde Fußballergelenke. In der Qualifikation zur Fußball-Weltmeisterschaft ist in Schwedens Gruppe noch alles offen, im März müssen die Skandinavier in Portugal antreten. „Ich glaube nicht, dass ein Nationalspieler anfangen sollte, Innebandy zu spielen“, sagte Nationaltrainer Lars Lagerbäck vorsichtig. Larsson selbst will davon nichts wissen. „Ich bin gut trainiert und weiß, was ich tue. Ich bin 37 Jahre alt und mache, was ich will. Ich lasse mir nicht von anderen sagen, was ich tun soll“, diktierte Larsson den schwedischen Reportern. „Und jetzt will ich Innebandy spielen.“ Auf den Vorwurf, die ganze Aktion sei ein einziger PR-Gag, entgegnete der sonst eher wortkarge Stürmer: „Ich mag die Medien so sehr, dass ich das nur gemacht habe, um mehr mit euch reden zu können.“ Den Schweden scheint Larssons Ausflug jedenfalls zu gefallen: In einer Internetumfrage der Boulevardzeitung „Expressen“ votierten 57 Prozent der Leser dafür, dass der Fußballer weiter die Stollenschuhe mit dem Schläger vertauscht.

Larssons Vertrag mit seinem Fußballklub Helsingborg IF läuft am 10. Januar aus, einen neuen hat er noch nicht unterschrieben. Die Teams beginnen in der Regel Mitte Januar mit dem Training, noch ist sogar möglich, dass er die Innebandy-Saison komplett zu Ende spielt. „Es ist genauso schön, hier zu spielen, wie im Camp Nou, die Atmosphäre war unglaublich“, sagte Larsson lächelnd nach seinem ersten Spiel. „Auch wenn hier ein paar Tausend weniger sind als in Barcelona.“ 96 000 weniger, um genau zu sein. Es schien ihn nicht zu stören.

„Ich bin gut trainiert und weiß, was ich tue. Ich bin 37 Jahre alt und mache, was ich will.“

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