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Sport: Heiratsantrag aus Kerkrade

Aachen will jetzt Heimspiele in Holland austragen

Natürlich würde auch Zinedine Zidane erschaudern, wenn das Ende des Tunnels naht. Wenn er die Schwenktüren aus dickem Plastik beiseite geschoben hat, durch die lange, enge Röhre stapft und am Ende ein Geräuschwall steht wie eine Mauer aus Backsteinen, wenn die Fans auf der Steh- und Ehrentribüne nach Leibeskräften in die Vereinshymne einfallen, die durch die Lautsprecher dröhnt.

Es gibt viele Vorstellungen, die Fans und Verantwortliche von Alemannia Aachen mit dem nahenden ersten Europapokalabend der Vereinsgeschichte verbinden, auch durchaus phantasiereiche. Durch die Champions-League-Teilnahme Werder Bremens, dem Gegner im DFB-Pokalfinale, ist Alemannia für den Uefa-Cup qualifiziert. Dass der Tivoli zur Bühne dieses Wettbewerbs wird, ist wegen der geringen Sitzplatzkapazität jedoch unwahrscheinlich. Einem Klub, der so sehr von seinem Stadion profitiert, müsste der Umzug besonders schwer fallen. Doch aus der Not will Aachen eine Tugend machen. „Das könnte ein Vorbildprojekt werden für die deutsch-holländische Fußballfreundschaft“, sagt Geschäftsführer Bernd Maas.

Was wie ein hübsches Paradoxon klingt, hatten die Aachener schon vor Monaten erwogen: die Austragung der Uefa-Cup-Heimspiele im Stadion des niederländischen Erstligisten Roda Kerkrade, elf Kilometer vom Tivoli entfernt. Als die Uefa die Idee nicht gleich bejubelte, meldeten sich aufgeregt Alemannia-Getreue zu Wort. „Das sind uralte Statuten, da ist doch irgendwo ein Fehler im System“, witterte etwa der Vizepräsident. Dabei hatte die Uefa ein solches Verbot nie ausgesprochen. „Wir bevorzugen eine Austragung innerhalb der Landesgrenzen, aber es kann Ausnahmen geben“, sagt Uefa-Sprecher William Gaillard. So spielte etwa ein belgischer Erstligist 1997 auf französischem Boden. „Die nationalen Verbände müssen ihr Einverständnis geben, dann wird sich auch die Uefa nicht querstellen“, erklärt Gaillard. Anfragen an die zuständige DFL und den niederländischen Fußballverband, der etwa für das Polizeiaufgebot sorgen müsste, hat Alemannia gestellt und bereits „positive Signale erhalten“, wie Maas berichtet: „Sie haben Gefallen an der Idee gefunden.“

Die Stadt im Dreiländereck gibt sich gerne als Vorreiter der europäischen Idee, wie jüngst bei der Verleihung des Karlspreises an EU-Parlamentspräsident Pat Cox. Eine Weiterführung auf sportlichem Gebiet findet Sportdirektor Jörg Schmadtke logisch: „Wenn wir über ein vereintes Europa reden, sollte auch so etwas möglich sein.“ Eine Fanfreundschaft zwischen Aachenern und Kerkradern existiert schon lange. „Endlich könnte man das Verhältnis deutscher und holländischer Fußballfans mal von dieser Seite beleuchten“, schwärmt Maas.

22 000 Zuschauern bietet Rodas Stadion Platz. „Bei einem kleinen Gegner wäre mir Kerkrade am liebsten“, sagt Schmadtke, „bei einem großen müssen wir uns anderweitig Gedanken machen.“ Dann wolle man nach Köln oder Düsseldorf ausweichen, Verhandlungen laufen. Gladbachs neues Stadion kommt nicht in Frage. Borussias Führung teilte kurz nach dem Pokalaus auf dem Tivoli eilig mit, der Nordpark stehe nicht zur Verfügung. „Das ist, als würde jemand einen Heiratsantrag ablehnen, den ihm niemand gemacht hat“, sagt Schmadtke.

Man wolle ohnehin erst mal die Auslosung abwarten. Sollte Aachen die erste Runde überstehen, wären durch die neue Zwischenrunde zwei weitere Heimspiele garantiert. Dann allerdings könnte man sich nicht mehr umentschieden – ob gegen Metalurg Donezk oder Real Madrid, das Stadion bliebe dasselbe. „Dort, wo ein Verein sein erstes Spiel austrägt, müssen auch alle weiteren Heimspiele des Wettbewerbs stattfinden“, sagt Gaillard.

Das würde auch für den Tivoli gelten. Hierfür haben die Aachener eine Sondergenehmigung beantragt, berichtet Maas: „Wenn wir neben den 3600 Sitzplätzen auch die Stehplätze öffnen dürften, würden wir natürlich bei uns spielen.“

Daniel Pontzen[Aachen]

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