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Sport: Heiß und süchtig

Rechtzeitig zum Start der ersten Tour de Ski hat Langläufer Tobias Angerer seine Form wiedergefunden

Wer von Olympischen Spielen mit einer Medaille nach Hause gekommen ist, hat es in der folgenden Saison oft schwer. Es mangelt an Motivation, weil kein gleichwertiges Ziel in Aussicht steht. Die kanadische Eisschnellläuferin Cindy Klassen hat aus diesem Grund eine Pause eingelegt. Anders der deutsche Langläufer Tobias Angerer. Mit Silber und Bronze dekoriert ist er im Februar aus Turin zurückgekehrt. Danach gewann er den Gesamtweltcup, er hat also in der vergangenen Saison fast alles erreicht, was es in seinem Sport zu erreichen gibt. Wie ist es nun um seine Motivation bestellt? Er sagt: „Ich bin voll heiß.“

Da trifft es sich gut, dass sich Tobias Angerer ab dem 31. Dezember bei der ersten Auflage der Tour de Ski austoben kann. „Das ist eine neue Herausforderung“, sagt er. Nicht so toll wie eine olympische Medaille, aber attraktiv genug für das Energiebündel aus Traunstein in Oberbayern. Er findet ohnehin jeden Wettkampf wichtig. „Ich bin süchtig nach Langlaufen“, sagt der 29 Jahre alte Sportsoldat. „Irgendwann ist die Karriere vorbei, bis dahin möchte ich das noch voll ausleben.“

Bei der Tour de Ski dürfte seine Leidenschaft durchaus befriedigt werden. An den Stationen München, Oberstdorf, Asiago und Val di Fiemme warten sechs Rennen in acht Tagen auf ihn. Von Sprint über Verfolgung bis zum abschließenden Rennen über 15 Kilometer (Frauen) oder 30 Kilometer (Männer) werden zahlreiche Disziplinen gefordert. Es gibt keine Weltcuppunkte für Tagessiege. Die Zeiten werden addiert, am Ende wird die vierfache Punktzahl eines Weltcupsieges vergeben – der Gesamtsieger der Tour erhält also 400 Punkte. „Es ist wie bei der Tour de France“, beschreibt Fis-Renndirektor Jürg Capol, „alle müssen alles können.“ So müssen sich auch die Sprinter am 6. Januar beim Finale in Val di Fiemme nach 26 Kilometern in der Loipe noch den vier Kilometer langen Zielanstieg hinaufquälen. Im Radsport würde man das Bergankunft nennen.

Tobias Angerer zählt nach seinem Erfolg zuletzt über 30 Kilometer in La Clusaz zu den Favoriten der Tour de Ski. Allerdings kann er im Sprint normalerweise nicht mit den Spezialisten mithalten. Er hatte gehofft, dass sich einige in den ersten beiden Wettbewerben in Nove Mesto auf den längeren Strecken verausgaben und ihnen am Silvestertag in München auf der kurzen Strecke etwas Kraft fehlen wird. Doch nach der Absage der Läufe in Tschechien wegen Schneemangels beginnt die Tour de Ski erst im Münchner Olympiastadion. Ein Vorteil für die Sprinter?

„Wichtig ist, dass man keine Schwäche zeigt“, sagt Tobias Angerer. Er ist rechtzeitig zum ersten Höhepunkt der Wintersaison fit geworden. Falls er bei der Tour gut abschneidet, rücken auch wieder höhere Ziele in seinen Blickpunkt. „Dann kann man auch an den Sieg im Gesamtweltcup denken.“ Gegenwärtig befindet er sich hinter den Norwegern Eldar Rönning und Tor Arne Hetland auf Rang drei.

Der Internationale Skiverband Fis wollte durch den Namen „Tour de Ski“ auf die Parallelen zur Tour de France hinweisen. Spätestens seit dem vergangenen Sommer und den offensichtlichen Dopingkontroversen beim wichtigsten Radrennen dürfte der Verband nicht mehr ganz glücklich damit sein. Zumal das Betrügen mit leistungssteigernden Mitteln auch im Skilanglauf Tradition hat. Zuletzt sind Ende November in Kuusamo Dopingutensilien in einer Mülltonne gefunden worden. „Seitdem habe ich aber nichts mehr darüber gehört“, sagt Tobias Angerer.

Er möchte sich aus der Dopingdiskussion, die nach Evi Sachenbachers Schutzsperre bei den Olympischen Spielen in Turin entstanden ist, möglichst raushalten. „Das war sehr hart für sie“, sagt Tobias Angerer, „ich bin mir sicher, dass niemand in unserer Mannschaft etwas Verbotenes macht.“ Im Sommer sei er sieben oder acht Mal kontrolliert worden, im Winter bereits vier Mal. „Das ist auch richtig so“, sagt Angerer, „allerdings sollten in allen Ländern die gleichen Verhältnisse wie in Deutschland sein.“ Er unterstützt die Offensive des Deutschen Skiverbandes, der die Blutbilder seiner Athleten veröffentlicht. „Wir haben nichts zu verbergen“, sagt er, „ich habe alles auf einem sauberen Weg erreicht – und darauf bin ich stolz.“

Für ihn hat sich nicht viel verändert seit seiner bisher erfolgreichsten Saison. Erneut hat er sich auch zwei Wochen lang in Oberhof vorbereitet. In seiner Heimatstadt Traunstein baut er ein Haus – mit seiner langjährigen Freundin, der Profigolferin Martina Eberl, wird er dort aber nicht einziehen. „Wir sind nicht mehr zusammen“, sagt Angerer, „es ist nicht leicht, wenn man 200 Tage im Jahr unterwegs ist.“ Andererseits erfordere sein Beruf als Langläufer genau diese Flexibilität. „Und es ist toll, wenn man sein Hobby zum Beruf machen kann“, sagt er. Gegenwärtig, so hört sich das an, ist für Tobias Angerer der Beruf wichtiger als das Privatleben. Weshalb sich auch die Frage, ob er noch motiviert ist, bis auf weiteres erübrigt.

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