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Sport: Hertha BSC: 13 Tore, 33 Jahre

Wolfgang Stark blickte grimmig drein. So viel Jubel nach einem Tor, das missfiel ihm sichtlich.

Wolfgang Stark blickte grimmig drein. So viel Jubel nach einem Tor, das missfiel ihm sichtlich. Dann bedeutete er, das Reglement im Hinterkopf, den auf dem Boden übereinander Liegenden, sich möglichst schnell Richtung Anstoßpunkt zu begeben. Michael Preetz bekam von der Anweisung des Schiedsrichters nichts mit. Er lag ganz unten, die anderen auf ihm drauf. "Ich genoss es", bekannte er später. Wer ist nicht gern im Mittelpunkt der Ovationen. Wobei es für Preetz nichts Ungewöhnliches mehr ist. Sein für Hertha BSC erneut siegbringendes Tor in Stuttgart, das für Ralf Rangnick möglicherweise das Ende seiner Trainerkarriere im Ländle einläutet, war bereits das 13. dieser Saison.

Womit Preetz, Mannschaftskapitän des Fußball-Bundesligisten, dieselbe Anzahl von Toren wie Giovane Elber erzielt hat. Und so ganz nebenbei erfolgreichster Torschütze deutscher Nationalität ist; die vor beiden stehenden Ebbe Sand (15 Tore) und Sergej Barbarez (14) kommen aus Dänemark und Bosnien-Herzegowina. Wundert es da, dass Preetz wieder mit der Nationalmannschaft in Verbindung gebracht wird, trotz seiner 33 Jahre? "Michael ist zumindest dann eine Alternative, wenn andere verletzt sind", glaubt Manager Dieter Hoeneß. Preetz selbst sieht das gelassen: "Öffentlich Theater zu machen und mich in den Vordergrund zu schieben, das ist nicht mein Ding. Wenn Rudi Völler mich anruft, freue ich mich, tut er es nicht, geht die Welt auch nicht unter."

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Das mit den 13 Toren, das will Preetz ohnehin nicht überbewerten. Von einer "Momentaufnahme" spricht er. Torschützenkönig wie 1998/99 zu werden, dieses Ziel habe er nicht. Wichtiger sei für ihn, dass die Mannschaft ihr Klassenziel erreicht, einen Platz im internationalen Wettbewerb.

Das hört der Trainer gern. Doch Pluspunkte muss Preetz bei ihm längst nicht mehr machen. Der bezeichnete das Verhältnis zu seinem verlängerten Arm kürzlich als ein ständiges Geben und Nehmen. Jürgen Röber: "Ich weiß, was ich an ihm habe. Deshalb werde ich auch einen Teufel tun, Michael aus der Mannschaft zu nehmen, wenn er mal eine schwächere Phase haben sollte." Die hat derzeit die Mannschaft, Preetz als Torjäger nicht.

Dabei hat er es gerade jetzt besonders schwer. Im Stuttgarter Gottlieb-Daimler-Stadion assistierten ihm mit Eyjölfur Sverrisson und Dariusz Wosz zwei Spieler, die üblicherweise nicht zur Kategorie "Sturmspitzen" gehören. Was zur Folge hatte, dass Preetz oft bemitleidenswert in der Luft hing. "Das hat wirklich keinen Spaß gemacht", so Preetz. Bis zur 77. Minute nicht, als er das Tor des Tages köpfte. Alex Alves, mit dem Preetz noch am besten zurechtkommt und von dessen Vorbereitung er auch profitiert, war verletzt und steigt erst heute wieder ins Training ein, das Zusammenwirken zweier ähnlicher Spielertypen verspricht dem Duo Preetz/Ali Daei von vornherein kaum Erfolgsaussichten.

Der Dauer-Reservist Piotr Reiss, der mehr Spielkultur als Daei hat, ihm deswegen eher Hilfestellung geben könnte, bei Röber aber wegen unzureichender Trainingsleistungen nicht hoch im Kurs steht, könnte ihm nach Alves noch am ehesten zur Seite gehen. Doch auf den Polen ist Preetz derzeit nicht gut zu sprechen. "Ich denke, das war ein Fehler des Trainers", hatte Reiss im "Kicker" seine Nicht-Berücksichtigung für die Partie gegen Wolfsburg kritisiert. Preetz: "Wenn jemand jammert, soll er das in der Kabine tun." Hoeneß, der für derartige Äußerungen in der Öffentlichkeit Geldstrafen angedroht hatte, will Reiss zur Kasse bitten, "falls dieser Satz tatsächlich so gefallen ist".

Im Übrigen ist Hoeneß so sicher nicht, dass Michael Preetz - wie vorgesehen - nach dem Auslaufen seines Vertrages im Sommer 2002 die Fußballschuhe zur Seite stellt und ins Management einsteigt. "Wenn er so weitermacht und seine Leistung bringt", meint Hoeneß, "hat er vielleicht Lust, weiter für uns auf Torejagd zu gehen." Preetz selbst will das nicht ausschließen, sich aber auch nicht festnageln lassen. "Ich denke erst einmal von Spiel zu Spiel. Alles andere lasse ich auf mich zukommen."

Was wäre Hertha ohne die Tore von Michael Preetz?

Klaus Rocca

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