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Sport: Hertha BSC: Deisler kann man kaufen, Erfolg nicht

Wenn es um Sebastian Deisler geht, versteht Dieter Hoeneß keinen Spaß. Deisler, 21 Jahre alt - das Juwel des deutschen Fußballs, das Talent aller Talente; für Hertha BSC "das zentrale Element der Zukunftsplanung" und der große Vorzeige-Transfer des Dieter Hoeneß.

Wenn es um Sebastian Deisler geht, versteht Dieter Hoeneß keinen Spaß. Deisler, 21 Jahre alt - das Juwel des deutschen Fußballs, das Talent aller Talente; für Hertha BSC "das zentrale Element der Zukunftsplanung" und der große Vorzeige-Transfer des Dieter Hoeneß.

Zum Thema Fotostrecke I: Hertha Backstage Fotostrecke II: Die Bilder der Saison 01/02 Bundesliga aktuell: Ergebnisse und Tabellen Bundesliga-Tippspiel: Das interaktive Fußball-Toto von meinberlin.de Und jetzt soll alles aus sein. Eine Sportillustrierte wusste gestern zu vermelden: "20 Mio. Handgeld! Bayern: Deisler schon gekauft!" Solche Meldungen treiben Hoeneß um. "Die Nachricht ist falsch", sagte der Manager. Vor allem darf sie nicht wahr sein. Nicht jetzt, und schon gar nicht Deisler.

Abermillionen Mark hat Hertha BSC seit dem Aufstieg in die Bundesliga 1997 ausgegeben. Hoeneß kaufte Spieler für drei komplette Mannschaften ein. Dabei erwies sich nicht jeder Transfer als Gewinn, von der Masse mal ganz abgesehen (siehe Statistik). Einige konnten weiterhelfen, viele nicht. Noch mehr sind gegangen. Der fußballerische Verlust hielt sich bisher in Grenzen. Groß rausgekommen ist von denen, die weggingen, keiner. Bei Deisler wäre alles anders. Von Anfang an war bei ihm alles anders. Deisler - ein Volltreffer. Er wäre der erste Spieler, den Hertha nicht gehen ließe.

Deisler und Hertha - das ist die schönste Geschichte für Dieter Hoeneß, seitdem er in Berlin ist. Genüsslich hatte der jüngere Bruder von Bayern-Manager Uli Hoeneß im Mai vor zwei Jahren den Neuerwerb aus Mönchengladbach präsentiert. Hertha hatte gerade dem FC Bayern einen Punkt abgetrotzt. Den Bayern reichte das zur vorzeitigen Meisterschaft, Hertha wurde Dritter und erreichte die Champions League. Aber viel wichtiger: Anders als erwartet, hatte Dieter Hoeneß seinen Bruder im Kampf um Deutschlands große Hoffnung ausgestochen. Und das, obwohl Bayerns Trainer Hitzfeld seit Jahrzehnten eine Bekanntschaft mit der Familie Deisler pflegt. Mit Sebastians Vater Kilian war er einst Messdiener im südbadischen Lörrach. Der Junge hatte sich für Hertha entschieden. Die Begründung: Er sehe beim schwächeren Team die größere Perspektive. So war das damals.

Seit diesen Tagen ist viel passiert. Mit Deisler, mit Hoeneß, mit Hertha. Deislers Marktwert kletterte auf geschätzte 75 Millionen Mark. Der Verein wandelte sich um in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien. Hoeneß wurde zum ersten Mann im Laden bestimmt. Er ist verantwortlich dafür, wie lange es und ob es mit Deisler in Berlin weitergeht. Seit über einem Jahr versucht er Deisler zu einer Vertragsverlängerung zu bewegen. Im Sommer des kommenden Jahres könnte Deisler den Verein für eine festgeschriebene Ablöse von 18 Millionen Mark verlassen. Ein Klacks bei seinen Qualitäten. Und ein Klacks für die Bayern. Bis Weihnachten hat sich Deisler Bedenkzeit erbeten. Nur momentan kommen einem beim Thema Hertha nicht die besten Gedanken.

Nach Jahren des Aufstiegs macht der Verein derzeit ungewollt Bekanntschaft mit der anderen Bewegungsrichtung. Auf dieser Reise passiert der Klub Etappen, die er bereits hinter sich wähnte. Von der Aufnahme in die G 14, dem Zusammenschluss der bedeutendsten europäischen Fußballklubs, spricht niemand mehr. In der aktuellen Computer-Tabelle für Europa liegt Hertha auf Platz 66.

Ein gutes halbes Jahr ist es her, da schickte sich der Meister von 1930 und 1931 an, ernsthafter Verfolger des FC Bayern zu werden, wenn er es nicht schon war. "Wenn uns in der Bundesliga langfristig einer gefährlich werden kann, dann ist das Hertha BSC", sagte Uli Hoeneß damals. Kontern mochte Bruder Dieter diese Aussage nicht. "Die Entwicklung von Hertha BSC ist unaufhaltbar", fügte er hinzu und dachte dabei insgeheim: Wir haben Deisler. Und mit ihm gewann Hertha im Sommer den Ligapokal. Nun endlich schien der schlafende Riese erwacht.

In der Folgezeit konnte man jedoch den Eindruck gewinnen, der Riese habe sich wieder schlafen gelegt. Zumindest ein Nickerchen eingelegt. In der Liga liegt Hertha im Mittelfeld. Hoeneß sagt, die Mannschaft sei nach dem Gewinn des Ligapokals überschätzt worden. Auch das mag stimmen, nur war es der erste Stellvertreter des Mannschaftskapitäns, Stefan Beinlich, der im Sommer von der Meisterschaft sprach. Diese wäre für einen Verbleib Deislers in Berlin über sein Vertragsende im kommenden Sommer hinaus das wertvollste Argument. Wer, mit seinen Qualitäten, will nicht mit den Großen spielen? Und die spielen in der Champions League. Und gewinnen sie sogar mal. Und Hertha? Wo wird Hertha spielen?

Der Wettlauf mit den Bayern um Deisler hat an Fahrt gewonnen. Dieter Hoeneß wird sich mächtig ins Zeug legen müssen, will er sein Ziel erreichen, mit Hertha einmal dahin zu kommen, wo die Bayern sind. "Du musst ja irgendwann anfangen, in diese Richtung zu denken", sagte Dieter Hoeneß mal. Es fielen Worte wie "Leistungskultur", "Selbstverständnis" und "Anspruch". Selbst der Busfahrer will bei den Bayern der Beste der Liga sein, erzählte Dieter Hoeneß und fügte mit einem Lächeln hinzu: "Wissen Sie noch, wo Hertha war, als ich nach Berlin kam? Wir haben nicht einmal einen Bus gehabt." Den haben sie mittlerweile, aber wie lange noch Deisler? Ohne Deisler, sagte Hoeneß, würde alles langsamer gehen.

Von anderen Spielern von Hertha BSC, egal wem, lässt sich das so nicht behaupten. Schon gar nicht von Alex Alves, dem teuersten Einkauf. In den Wirren rund um das Millennium hatte Dieter Hoeneß den Brasilianer für 15 Millionen Mark verpflichtet und damit genügend Probleme für zwei volle Jahre eingekauft. Ob das noch was wird? Dafür spricht wenig. Wenn sich doch bloß ein Interessent finden ließe, der - sagen wir mal fünf oder sechs Millionen - für ihn zu zahlen bereit ist. Wäre da noch Ali Daei. Den kaufte Hertha damals, weil die Bayern keine Verwendung mehr für ihn hatten. Vorige Woche hat Daei sein 100. Länderspiel für den Iran bestritten. Kommenden Sonnabend sitzt er maximal auf der Ersatzbank der Berliner. Das würde Deisler nicht einmal bei den Bayern passieren.

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