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Favre

© ddp

Hertha BSC: Der Trainer handelt

Lucien Favre ist bei Hertha für Überraschungen gut. Für seine Philosophie krempelt er den Verein um.

Was hat sich verbessert?

Der Trainer. Von Lucien Favre, Nachfolger von Falko Götz und Interimstrainer Karsten Heine, erwarten sich die Berliner viel. Statt rustikalem Fußball propagiert der Schweizer feinsinnig Fußball-Philosophien – und scheut für ihre Umsetzung auch keinen harten personellen Umbruch. In der Schweizer Liga wurde Favre mit dem FC Zürich zuletzt zweimal Meister. In der Bundesliga dagegen muss er erst beweisen, dass er langfristig erfolgreich sein kann. Mit schnellen Erfolgen ist eher nicht zu rechnen; Favres Umbruch nimmt Zeit in Anspruch. Zehn Tage vor dem Saisonstart gibt es abgesehen vom Brasilianer Lucio und dem tschechischen Torwart Jaroslav Drobny noch keine Spieler, die das Team wirklich verstärkt haben. Außerdem warten die mit etwa 45 Millionen Euro verschuldeten Berliner noch auf das Geld des avisierten Transfers von Kevin-Prince Boateng zu Tottenham Hotspur – 7,4 Millionen Euro soll Hertha daran verdienen. Nun kommen wohl noch gut zwei Millionen aus dem Verkauf von Christian Giménez dazu.

Wer sind die Stars? Die Brasilianer müssten es sein, schließlich haben Gilberto und Mineiro mit ihrem Nationalteam gerade die Copa America gewonnen. Gilberto spielt auch schon seit drei Jahren recht solide für die Berliner, Mineiro dagegen konnte bei nur zehn Einsätzen in der vergangenen Saison nicht viel zeigen – von seinem Wahnsinnseinstandstor gegen den HSV abgesehen. Landsmann Lucio ist neu und daher noch mit einem Fragezeichen zu versehen. Der Serbe Marko Pantelic taugt trotz seiner Tore noch nicht zum ganz großen Stürmerstar, dafür spielt er oft zu selbstverliebt. Immerhin könnte Jungprofi Patrick Ebert auf Dauer zum gefeierten erwachsenen Profi werden: Der Potsdamer aus dem Hertha-Nachwuchs bringt mit seinem feschen Blondschopf auch abseits seiner Agilität auf dem Rasen Heldenpotenzial mit – zumal er sich bodenständig mit seinem Klub identifiziert und nicht ständig davon redet, Hertha zu verlassen wie die mit ihm in Berlin gewachsenen Altersgenossen namens Boateng.

Wie sicher ist der Job des Trainers? Zunächst ziemlich sicher. Favres Vorgänger Götz durfte achtmal hintereinander nicht siegen, bevor er seinen Job bei Hertha aufgeben musste. Im Fall Favre dürfte die Geduld vielleicht noch größer sein. Eine Eingewöhnungsphase will man dem Schweizer zugestehen, war schon während des Trainingslagers zu hören.


Welche Taktik ist zu erwarten?
Das System Favre ist auf jeden Fall eines mit Überraschungen. So ließ er in der Schweiz oft einen Stürmer vor einem mit drei Spielern besetzten offensiven Mittelfeld spielen, dahinter agierten zwei defensive Mittelfeldspieler und die Vierer-Abwehrkette. Da nach dem Giménez-Abgang noch Stürmer fehlen, spricht auch personell einiges für diese Variante. In der Vorbereitung mit Hertha ließ Favre aber auch vorsichtiger im 4-4-2-System spielen. Der Offensivfan Favre hat schon angedeutet, dass er bei Hertha viel Wert auf die Organisation der Defensive legt. „Du musst schon eine gute Abwehr haben, in der Offensive lasse ich mehr Freiheiten zu“, hat Favre gesagt.

Wer hat das Sagen im Verein? Manager Dieter Hoeneß hat Hertha BSC zu dem gemacht, was Hertha BSC heute ist – sportlich, finanziell und in der Außendarstellung. Nach Kritik an seiner Arbeit ist er in der Öffentlichkeit vorsichtiger geworden. Von einer offensiveren Rolle des ehemaligen Stürmers Michael Preetz in der Geschäftsführung ist derzeit allerdings noch nicht viel zu sehen.

Wie ist die Stimmung im Stadion? Das Olympiastadion ist eben sehr groß und daher auch nicht immer voll. Hertha war in der Vorsaison mit mehr als 43 000 Zuschauern immerhin Siebter, was den Besucherschnitt angeht. Aber legendäre Stimmung gab es in der Berliner Arena bei anderen Events: der WM 2006 und den Endspielen des DFB-Pokal.

Welche Platzierung ist zu erwarten? Wahrscheinlich ist mehr möglich, als viele glauben – sogar der eigene Trainer. Favre sprach seiner Mannschaft schon mal tiefstapelnd die Bundesligatauglichkeit ab. Mancher Experte wie Lothar Matthäus prophezeit Hertha gar die Teilnahme am Abstiegskampf. Das sollte Unsinn sein, denn mit dem guten neuen Torwart Drobny, einer soliden Abwehr um Nationalspieler Arne Friedrich, den drei Brasilianern davor und Toren von Pantelic sollte einiges möglich sein. Vielleicht sogar mehr als in der Vorsaison, als Hertha nach guter Vorrunde am Ende Zehnter wurde. Für eine konstante Saison ist der Kader nach den vielen Abgängen aber noch zu dünn. Hier muss nachgebessert werden – notfalls noch nach den ersten Bundesliga-Spielen.

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