zum Hauptinhalt
Preetz

© dpa

Hertha BSC: Die Tränen des Michael Preetz

Bei einem Abstieg könnte auch der Manager nach nur einem Jahr seinen Job verlieren.

Berlin - In der Situation, in der mutmaßlich alles verloren ist, gewinnt zumindest Michael Preetz. Er gewinnt ein bisschen Menschlichkeit zurück. Die Fernsehkameras sind nach dem Schlusspfiff auf sein Gesicht gerichtet, und sie fangen eine Reaktion ein, die viele dem stets so beherrschten Preetz gar nicht zugetraut hätten. Der Manager von Hertha BSC kämpft vergebens mit seinen Tränen. Als er eine Stunde nach der 1:2-Niederlage gegen den 1. FC Nürnberg auf diesen Ausbruch der Emotionen angesprochen wird, sagt Preetz: „Ich weiß nicht, ob Sie das überrascht. Ich bin 14 Jahre im Verein. Das geht mir schon nahe.“ Dann kommen die Tränen wieder.

Die Berliner erleben gerade eine Saison zum Heulen, aber immer wenn man denkt, jetzt hat das Schicksal wirklich genug mit Hertha gespielt, fällt ihm ganz bestimmt ein noch üblerer Dreh ein. Er habe selten eine Mannschaft so mutig und offensiv spielen sehen wie die seine gegen Nürnberg, sagt Trainer Friedhelm Funkel am Tag nach dem Spiel, das wohl lange das beste unter seiner Verantwortung war. 25 Torschüsse verzeichnet die Statistik für Hertha, 60 Prozent Ballbesitz, mindestens fünf klare Chancen allein in der ersten Hälfte – am Ende aber erzielt der eingewechselte Angelos Charisteas mit einem Konter in der Nachspielzeit den 2:1-Siegtreffer für die Nürnberger. „Es ist fast schon ein Fluch, der auf uns lastet“, sagt Friedhelm Funkel. Die Stürmer treffen einfach nicht, seit Wochen nicht. „Wir müssen darauf hoffen, dass der gegnerische Torhüter auch mal einen schlechten Tag hat.“ Für echten Optimismus ist das eine ziemlich dünne Geschäftsgrundlage.

Statt drei Punkten Rückstand auf Nürnberg sind es jetzt wieder neun. Das Thema Klassenerhalt ist so gut wie erledigt. „Wir sind auch keine Idioten“, sagt Herthas Stürmer Artur Wichniarek, einer der wenigen Spieler, die nach der Niederlage überhaupt etwas sagen wollen. „Wir wissen doch, was Sache ist.“

Die Realität haben sie bei Hertha lange ausgeblendet, jetzt aber schlägt sie mit voller Wucht zurück. Es war nur ein Scheinaufschwung, der die Berliner zwischenzeitlich auf zwei Punkte an den Relegationsplatz herangebracht hatte: Er gründete auf der Schwäche der anderen, nicht auf eigener Stärke. Das zeigt sich jetzt, da die Konkurrenten anfangen zu gewinnen. Man hätte das wissen können, nein, Friedhelm Funkel, ein erfahrener Abstiegskämpfer, hätte das wissen müssen. Stattdessen gibt es von ihm weiter nur leere Parolen. „Wir haben seit Anfang des Jahres viele gute Spiele gemacht“, sagt er. „Es gibt kein Aufgeben, kein Zurückstecken.“

Preetz hat das Spiel gegen Nürnberg wie ein zweiter Trainer verfolgt: Er ist die ganze Zeit auf den Beinen, läuft von links nach rechts, von rechts nach links, jammert und fleht. Wahrscheinlich dämmert auch Preetz langsam, dass es ernst für ihn wird, wenn Hertha absteigt.

Eine gewisse persönliche Tragik ist ihm nicht abzusprechen. Sechs Jahre lang ist Michael Preetz von seinem Vorgänger Dieter Hoeneß von allen wichtigen Entscheidungen ferngehalten worden, jetzt trägt er im ersten Jahr die alleinige Verantwortung und erleidet mit Hertha wohl gleich den sportlichen Totalschaden. Was spräche also im Falle des Abstiegs für seine Weiterbeschäftigung? Seine Transferbilanz ist bescheiden; vor allem mit der Wahl des Trainers aber hat Preetz sich angreifbar gemacht.

Man kann über Dieter Hoeneß und seine Zeit bei Hertha BSC viel sagen, viel Schlechtes auch – aber dass er den Klub einem Feuerwehrmann anvertraut, das hätte es unter ihm mit Sicherheit nicht gegeben. Preetz hingegen hat sich gleich bei seiner ersten Trainerverpflichtung nicht anders zu helfen gewusst, als auf einen der üblichen Verdächtigen zurückzugreifen: In kürzester Zeit hat er Hertha auf den Funkel gebracht.

Fast noch schlimmer ist es, dass Preetz selbst jetzt, da alles auseinanderfällt, eisern an Funkel festhält. Am Tag nach der Niederlage gegen Nürnberg sagt Herthas Manager, „dass wir hier und heute keine Trainerdiskussion führen“. Ja, wann denn dann?

Friedhelm Funkel ist der einzige Trainer in der Bundesliga, für den das Leistungsprinzip außer Kraft gesetzt ist. 19 Spiele ist er jetzt im Amt, dabei hat die Mannschaft zwölf Punkte geholt und gerade zweimal gewonnen. In den Heimspielen fällt seine Bilanz noch düsterer aus: In zehn Begegnungen mit Funkel gelang der Mannschaft kein einziger Sieg. Mit einer solchen Verfehlung im Amt zu bleiben – das ist die eigentliche Leistung des Berliner Trainers.

Ob er sich eine Situation vorstellen könne, in der er zurücktreten würde, wird Friedhelm Funkel am Sonntag gefragt. „Nein!“, antwortet er. Diese Aufgabe wird Michael Preetz ihm wohl abnehmen müssen. 

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false