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Hertha BSC: Die Wucht der Jugend

Für Herthas Trainer Babbel wurde es zuletzt immer schwerer, den jungen Stürmer wieder und wieder zu vertrösten und ihn mit Kurzeinsätzen abzuspeisen. Nun hat Pierre-Michel Lasogga fürs Erste Rob Friend aus Herthas Startelf verdrängt.

Berlin - Gerd Müller hat in seiner Karriere unsagbar viele Tore geschossen, unglaublich wichtige auch. Eine Kategorie aber ist Müller immer egal gewesen: die Schönheit eines Tores. Er hat den Ball einfach reingemacht, fertig! Ein Abstauber muss nicht schön sein. Kann er aber. Pierre-Michel Lasogga, Stürmer von Hertha BSC, hat das am Montag bewiesen. Andreas Luthe, der Torhüter des VfL Bochum, hatte einen Schuss von Nikita Rukavytsya zur Seite abgewehrt, der Ball driftete scheinbar unaufhaltsam vom Tor weg, doch Lasogga rutschte in die Flugbahn und grätschte ihn zum 2:0-Endstand für den Berliner Fußball-Zweitligisten ins Netz. Für den jungen Stürmer war es das zweite Tor des Abends. Das erste hatte er nach einer Ecke mit dem Hinterkopf erzielt. Wie Uwe Seeler.

Lasogga lächelte verlegen, als er den großen Namen hörte. Lasogga ist 18, er hatte zum ersten Mal in der Startelf der Berliner gestanden – und er hatte seine ersten beiden Tore für die Profis erzielt. Hinter ihm ging Herthas früherer Stürmer Axel Kruse vorbei. Er klopfte Lasogga auf die Schultern und gab ihm den Rat: „Lass dich nicht so feiern!“ Allzu groß ist die Gefahr nicht. Pierre-Michel Lasogga tritt außerhalb des Platzes genau so auf, wie er als Stürmer spielt: ziemlich geerdet.

Es gibt genügend Vereine, die einen jungen Spieler wie ihn erst einmal unter Verschluss halten würden, um ihn vor der Öffentlichkeit und auch ein bisschen vor sich selbst zu schützen. Lasogga aber stand gleich nach dem Spiel in der Interviewzone, und auch am Tag danach musste er wieder vor die Presse treten. „Das gehört zum Prozess dazu“, sagt Trainer Markus Babbel. „Pierre ist klar in der Birne. Er weiß, was er will.“

Für Herthas Trainer fiel es zuletzt immer schwerer, den jungen Stürmer wieder und wieder zu vertrösten und ihn mit Kurzeinsätzen abzuspeisen. „Pierre trainiert seit Wochen gut“, sagt Babbel, „er hat sich sensationell gut entwickelt.“ Vor allem wenn er an den Beginn der Vorbereitung zurückdenkt. Als Lasogga im Sommer aus der A-Jugend von Bayer Leverkusen nach Berlin kam, war er in einem Zustand, den Babbel als „nicht ganz so Profi-like“ bezeichnet. Doch der Teenager hat nachhaltig an seiner Fitness gearbeitet. „Es ist ein Unterschied wie Tag und Nacht“, sagt Herthas Trainer. „Er ist viel dynamischer.“

Dass Babbel im Sturm den Wechsel vollziehen könnte, hatte sich schon länger angedeutet. „Das war natürlich eine gute Entscheidung“, sagte er nach dem Spiel. Aber es war auch eine schwere. Um Lasogga zu bringen, musste er Rob Friend opfern. Der Zwei-Millionen-Euro-Mann, Herthas wichtigster Einkauf des Sommers, sollte der Fixpunkt in Babbels Spielsystem sein, doch genau das war er eigentlich nie. „Man merkt einfach, dass Rob nicht mehr ganz so frei ist und sich selbst brutal unter Druck setzt“, sagte Babbel. „Er muss mal wieder runter kommen können.“

Lasogga hatte gegen Bochum eine ganz andere Präsenz, als Friend sie zuletzt hatte. „Er hat gezeigt, dass er wirklich stark drauf ist“, sagte Herthas Torhüter Marco Sejna. „Er war viel unterwegs, hat die Bälle gesichert, das war klasse.“ 64 Ballkontakte verzeichnete die Statistik für Lasogga; bei Friend waren es zuletzt immer nur um die 20 gewesen, wenn er knapp 25 Minuten vor Schluss ausgewechselt wurde. Natürlich lief auch bei Lasogga nicht alles perfekt. Jeden zweiten Zweikampf verlor er, jeder zweite Pass landete beim Gegner. Lasogga machte viele Fehler – weil er eben auch viel machte. „Es ist sein Markenzeichen, dass er nicht aufsteckt und das Grübeln anfängt, sondern immer weitermacht“, sagte Babbel. Gegen Ingolstadt und Paderborn hatte Lasogga je einmal Pfosten und Latte getroffen, aber davon hat er sich nicht unterkriegen lassen. Man könnte auch sagen: Lasogga ist im Moment das genaue Gegenteil von Rob Friend.

„Ich habe versucht, meine Lockerheit beizubehalten“, sagte der 18-Jährige. Babbel hatte ihm aufgetragen, einfach Gas zu geben. „ Ich glaube, das habe ich ganz gut umgesetzt.“ Nach seinem ersten Tor wuchtete Lasogga seinen Körper über die Bande und lief Richtung Ostkurve. Er küsste das Hertha-Wappen auf seinem Trikot. „Das ist einfach so rausgekommen“, sagte Lasogga. „Als ich gesehen habe, dass die Ostkurve explodiert, ist es auch bei mir im ganzen Körper explodiert.“

Nach dem Spiel stand die ganze Mannschaft vor der Kurve, einige Spieler sangen die Lieder der Fans. Rob Friend presste seine Lippen aufeinander. „Es ist natürlich doppelt bitter, dass sein Konkurrent auch noch zwei Tore geschossen hat“, sagte Babbel. „Das ist mental eine Keule für ihn. Aber wir werden ihn nicht fallen lassen.“ Trotzdem muss sich Friend darauf einstellen, erst einmal auf der Bank zu sitzen. Babbel hat Lasogga in Aussicht gestellt, dass er auch am Freitag in Osnabrück wieder von Anfang an spielt: „Die Chance ist groß.“ Friend wäre zum Joker degradiert. „Da habe ich ein schönes Luxusproblem“, sagt Markus Babbel.

Von Luxus würde Rob Friend vermutlich nicht sprechen.

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