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Sport: Hertha BSC: Die Zeit der Zärtlichkeit ist vorbei

Der Ball fühlt sich wohl bei Dariusz Wosz. Hier wird er nicht getreten, sondern gestreichelt.

Der Ball fühlt sich wohl bei Dariusz Wosz. Hier wird er nicht getreten, sondern gestreichelt. Die Zuneigung beruht auf Gegenseitigkeit. Dariusz Wosz mag den Ball, seine kleinen Füßen stellen die geschicktesten Sachen mit ihm an. Doch die Zeiten der Zärtlichkeiten, sie scheinen für den Techniker ihrem Ende entgegen zu eilen. Trainer Jürgen Röber sagt: "Es wird eng im Mittelfeld, einer ist zu viel." Beim FC Bayern München sitzen auch mal Nationalspieler auf der Bank. "Das wird sich in Zukunft bei uns auch nicht vermeiden lassen."

Der Trainer nennt keinen Namen, aber er meint Dariusz Wosz. Dafür gibt es zahlreiche Indizien. Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass Röber den jungen Sebastian Deisler auf der zentralen Mittelfeldposition für geeigneter hält. Er ist sein Mann für die Zukunft. "Ach, wissen Sie", sagt Wosz, "das ist meine Position, und solange ich meine Leistung bringe, wird sich daran nichts ändern." Vielleicht will Wosz die Zeichen der Zeit nicht erkennen, vielleicht verdrängt er sie einfach. "Ich verdränge überhaupt nichts", antwortet der 31-Jährige. "Ich bin zwar in einem Alter, in dem man einige Gedankenspiele anstellt, aber diese Sorge habe ich nicht."

Eineinhalb Jahre - zumindest vertraglich gesehen - dauert das Arbeitsverhältnis zwischen dem Fußball-Bundesligisten Hertha BSC und Dariusz Wosz noch. Doch es würde nur wenige wundern, wenn es da früher zu einer Korrektur käme. "Was sagen Sie da?", fragt Wosz. "Ich werde meinen Vertrag in Berlin erfüllen, und zwar erfolgreich." Der gebürtige Pole, der in Kinderjahren nach Halle an der Saale zog, mag es überhaupt nicht, dass von einem angeblichen Zwist zwischen ihm und Deisler in "einschlägigen" (Wosz) Zeitungen zu lesen ist. "Blödsinn! Natürlich reden wir über solche Dinge miteinander. Aber da habe ich von Ärger oder einem Streit nichts gespürt."

Wosz erzählt seine Version. Er habe lediglich seine Meinung geäußert, und nach der sind schon ein paar Jahre nötig, bis einer die zentrale Position angemessen ausfüllen kann. "Ich will, dass wir mit offenen Karten spielen. Und ich denke, dass Sebastian noch ein, zwei Jahre braucht - ohne, dass ich ihm seine Qualitäten abspreche. Ich will ihn doch nur schützen. Denn wenn es mal nicht so läuft in einem Spiel, kommst du dir vor wie ein Tennisball, der zwischen Abwehr und Angriff hin- und hergeschlagen wird."

Der Trainer habe mit ihm noch nicht gesprochen. "Deswegen sorge ich jetzt aber nicht für Schlagzeilen, sondern werde für ein positives Theater auf dem Platz sorgen." Wosz gibt sich kämpferisch. Das ist sein gutes Recht, aber dieser Geist allein wird ihm nur bedingt weiterhelfen. Wosz winkt ab: "Ach, jetzt kommt wieder die Geschichte, dass ich ein Spieler bin, der viele Streicheleinheiten braucht." Das stimme so auch nicht. "Jeder Spieler ist sensibel, ich auch." Wosz beruft sich "auf über 200 Bundesligaspiele und viele im Uefa-Cup, die ich in den Knochen habe, da habe ich einiges gelernt."

Irgendwie aber muss ihm in dieser Zeit entgangen sein, dass sein Einfluss in der und auf die Mannschaft schwindet. Spätestens mit der Verpflichtung Stefan Beinlichs, der gleich in den Mannschaftsrat rutschte, hat Hertha eine neue dominante Figur im Mittelfeld. Der ist auch Nationalspieler und als Spielertyp ähnlich veranlagt wie Wosz. Doch anders als dieser verfügt er über Führungsqualitäten, die einem Spielgestalter so abträglich nun mal nicht sind. Wosz hält dagegen. "Ich habe bewiesen, dass ich mit Stefan sehr gut harmoniere." Dem widerspicht bei Hertha niemand. Nur: Warum sollte dies ein Deisler nicht auch erfüllen können, zumal der junge Nationalspieler derart veranlagt ist, dass er eines Tages einen Beinlich an die Seite nehmen kann.

Wosz hat genug, mehr Kraft mag er auf dieses Thema nicht verschwenden. "Es kann schon sein, dass ich mal auf der Ersatzbank Platz nehmen werde. Bei den Bayern hat das ja auch nicht mit der Leistung zu tun. Aber wenn das häufiger der Fall sein wird, werde ich den Verein wechseln müssen." Und dann erzählt er noch die eine Geschichte, wonach er angeblich im Dezember des vergangenen Jahres vorsorglich seinen Berater gebeten habe, er möge mal Ausschau halten nach einem Verein, der ihn kaufen möchte, weil Deisler in der Rückrunde seine Position bekommen soll. "Mann, da habe ich ganz schön gelacht", sagt Wosz. "Ich werde bei Hertha bleiben und in eineinhalb Jahren sehen, ob ich um ein weiteres Jahr verlängere. So sieht es aus."

Wenn nicht, werde er für vier Jahre noch irgendwo anders hingehen. "Und wissen Sie, warum ich das glaube?", fragt Wosz, "weil ich nämlich noch nie etwas hatte in meiner Karriere." Dariusz Wosz meint böse Verletzungen. In dem Punkt wird er wohl Recht haben.

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