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Endstation Neumünster? Hertha BSC hat trotz schlechter Erfahrungen mit dem Einzug in die zweite Pokalrunde kalkuliert.

© dpa

Hertha BSC im DFB-Pokal: VfR Neumünster: Der Grümmi bebt

Hertha BSC tritt im ersten Pflichtspiel der Saison im Pokal beim VfR Neumünster an, der für das Aufeinandertreffen mit dem Bundesligisten eigens die Grümmi-Arena ausbaute - und sich mit Videos von Herthas Pokalblamagen für das Spiel motiviert.

Das Gefühlsleben von Wolf-Werner Haake wird auf eine harte Probe gestellt. Im Januar 2006 bekam er seinen Mitgliedsausweis mit der Nummer 340018 bei Hertha BSC. Doch seit 40 Jahren wohnt der gebürtige Berliner mittlerweile in Neumünster, ist dort zweiter stellvertretender Stadtpräsident. Seit der Auslosung der ersten DFB-Pokalrunde Mitte Juni wird der CDU-Politiker überall im holsteinischen Ort darauf angesprochen, wem er nun die Daumen drücke. Haakes 27-jähriger Sohn Thilo lebt mittlerweile in Berlin, ist großer Hertha-Fan und bekommt jedes Jahr vom Vater eine Dauerkarte geschenkt. Bei Herthas Pokalmatch am Sonntag in Neumünster (16 Uhr, live im Ticker) gibt es nun ein Wiedersehen zwischen Vater und Sohn.

Gespielt wird in der Grümmi-Arena, benannt nach dem Unternehmer Gerd Grümmer, der im Ort vier Supermarktfilialen besitzt. Die Kapazität des Stadions wurde eigens für das Spiel ausgebaut. Die Höhe der Eintrittspreise jedoch hat den Gastgebern viel Kritik beschert. Stehplatzkarten kosten 18 Euro, die wenigen zur Verfügung stehenden Sitzplatzkarten 55 Euro, alle ohne Überdachung. Selbst Regionalligist Wilhelmshaven, der am Samstag den Championsleague-Finalisten Dortmund empfing, knöpfte seinen Besuchern nur 45 Euro für eine komfortablere Sitzgelegenheit ab.

Der schleswig-holsteinische Viertligist hoffte eben auf eine Rekordeinnahme. Denn der Klub benötigt jeden Cent, er hat nur etwa 350 Mitglieder. 2007 entging der Verein der angezeigten Insolvenz, weil der entsprechende Antrag gerade noch einmal zurückgezogen wurde. Unter einem neuen Vorstand hat der VfR seinen x-ten Konsolidierungsversuch eingeleitet. Hätte der 1910 gegründete Klub nicht ad hoc 100.000 Euro in Vereinsheim und Stadionanlage hineingesteckt, es sähe dort noch beinahe so aus wie in den siebziger Jahren. Im Umfeld geht es bis heute arg provinziell zu. Vereinsführung, Pressearbeit und die Vermarktung der Ligamannschaft leiden darunter. „Der Abbau der Altlasten steht bei uns oben an“, verteidigt Vizepräsident und Sponsor Grümmer.

Das Pokalspiel hat der Verein zum Anlass genommen, sein bis dato nur für 4999 Zuschauer zugelassenes Stadion gegen bauliche Auflagen für eine genehmigte Kapazität von maximal 9200 Besuchern aufzustocken. Alle erforderlichen Arbeiten, etwa das Verlegen von Gummimatten auf den Stehtraversen, sind gerade noch rechtzeitig für eine Bauabnahme fertig geworden. „Ein Kraftakt“, sagt VfR-Schatzmeister Olaf Schließeit. „Wir hatten zuletzt alle eine Sieben-Tage-Woche zur Erledigung aller Aufgaben, hier läuft das meiste ehrenamtlich.“

Sportlich belegte der Aufsteiger in die Regionalliga Nord in der abgelaufenen Saison den sechsten Platz. Damit ist die in lila-weiß spielende Mannschaft hinter Drittligist Holstein Kiel zur fußballerischen Nummer zwei in Schleswig-Holstein aufgestiegen. Der Saisonetat von rund 470.000 Euro lässt keine großen Spielräume. Das Team muss zwölf Neuzugänge integrieren und ist im Durchschnitt nicht mal 23 Jahre alt. Die Pokal-Generalprobe wurde am vergangenen Dienstag in einem Testspiel mit 4:1 gegen Kiels U 23 gewonnen. Das Gegentor hatte Torhüter Marcus Hesse nach verpatzter Faustabwehr verschuldet, mit 29 Jahren der erfahrenste Spieler. „Das wird mir gegen Hertha nicht passieren", verspricht er. Er freut sich besonders auf ein Wiedersehen mit Sami Allagui, mit dem der frühere Jugendnationaltorwart kurzzeitig bei Alemannia Aachen zusammenspielte. Er ist einer von drei Spielern des VfR, die überhaupt schon mal DFB-Pokalspiele bestritten haben. Nur vier Spieler aus dem Team haben bisher oberhalb der vierten Liga gekickt.

Die jungen Talente weiterentwickeln, das ist die Aufgabe von Trainer Ervin Lamce. Er hat gerade seine A-Lizenz bestanden und geht ins siebte Jahr als Cheftrainer. Der dreifache albanische Nationalspieler war zuvor jahrelang Spieler in Neumünster. „Natürlich ist es ein besonderes Spiel“, räumt der 40-Jährige ein. „Ein paar Videostudien von Hertha, meinen Jungs Selbstvertrauen einreden, damit sie hoffentlich lange ein zu null halten“, sagt Lamce – „viel mehr kannst du den eigenen Spielern gegen solch ein Profiteam gar nicht mitgeben.“ Doch das häufige Pokal-Aus von Hertha in der ersten Runde wie im Jahr 2002 bei Holstein Kiel im Elfmeterschießen oder das 1:2 im Vorjahr bei Wormatia Worms macht derzeit unter den 77.000 Einwohnern in Neumünster die Runde und scheint als Stimulanz zu dienen.

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