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Hertha BSC: Realität schlägt Euphorie

Bei Hertha BSC läuft längst noch nicht alles perfekt, doch leichte Verbesserungen sind schon zu erkennen.

Berlin - Geschichte wiederholt sich, aber manchmal lässt sie sich ein bisschen Zeit. Knapp drei Jahre lang hat Jaroslav Drobny warten müssen, bis er wieder einen Elfmeter hält. An diese Anekdote hat Drobny den Schützen oft und gern erinnert, sie haben nämlich ein Weilchen zusammengespielt. Marko Pantelic war in Berlin schon damals eine Legende, aber den Elfmeter schoss er an jenem 14. April 2007 so sanft, halbhoch und unplatziert, dass der Bochumer Torhüter Drobny mühelos parierte. Ein paar Wochen später unterschrieb der Tscheche einen Vertrag bei Hertha.

Sanft, halbhoch und unplatziert – so mag es jeder Torwart beim Elfmeter, und genauso kam Drobny auch bei Hertha zu seinem ersten Erfolgserlebnis im Duell Mann gegen Mann. Wahrscheinlich hätte Hertha das Spiel gegen Borussia Mönchengladbach verloren, wenn sich Juan Arango ein wenig geschickter angestellt hätte bei der Exekution.

Drobnys Rettungstat war der Impuls, den die bis dahin unkonzentriert wirkenden Berliner zum Aufwachen brauchten. Fortan spielte Hertha direkt, stringent und leidenschaftlich. Dass es trotz bemerkenswerter Leistungssteigerung nur zu einem 0:0 reichte, werteten die 46 000 Zuschauer im Olympiastadion als Rückschlag auf dem Weg hin zur Vermeidung des Abstiegs. Womit sie sich in direkter Konfrontation mit Friedhelm Funkel befanden. „Dieses Spiel hilft uns weiter, die Mannschaft ist topfit und wird ihren Weg machen“, sagte Herthas Trainer und fragte angriffslustig, ob man denn ernsthaft erwartet habe, „dass wir jetzt jedes Spiel gewinnen werden“.

Das Glück ist ein flüchtiger Geselle und es verteilt seine Gaben ohne erkennbares System. Herthas Angriffsbemühungen waren gegen Gladbach so konsequent wie lange nicht. Was bei Chancen von Ramos, Kringe oder Gekas fehlte, waren die berühmten Zentimeter. Schicksal. Dafür werden die Kollegen Verteidiger in der noch jungen Rückrunde von dem Glück begünstigt, das in der Hinrunde ein ums andere Mal fehlte. Vor einer Woche schob der Hannoveraner Didier Ya Konan den Ball beim Stand von 0:0 nicht ins leere Tor, am Ende gewann Hertha 3:0. Und am Samstag schnappte sich Arango beim Elfmeter den Ball. Mit dem bekannten, für Hertha angenehmen Effekt.

An diese Vorgeschichten denken Fans ungern zurück. Das 3:0 in Hannover hat Erwartungen geweckt, die allzu leicht den Blick für die Realität verstellen. Hertha hat in 17 Vorrundenspielen sechs Punkte geholt und dabei einmal gewonnen. Aus so einem Gebilde macht auch eine Runderneuerung auf drei Positionen keine Siegmaschine. Funkel stört sich nicht ganz zu Unrecht an der mangelnden Würdigung des zuletzt Erreichten. Erstmals seit dem Februar 2009 hat Hertha in zwei Spielen hintereinander kein Gegentor kassiert. Auch überstand Hertha erstmals zwei Spiele hintereinander ohne Niederlage. So viele gute Torchancen wie gegen die in der zweiten Hälfte betonhart verteidigenden Gladbacher hat Hertha sich in den vergangenen Jahren selten herausgespielt, und das vor dem eigenem, erwartungsfrohen Publikum, wo sich eine eher auf Konterfußball ausgerichtete Mannschaft sehr viel schwerer tut als in der Fremde. „In Hannover war es für uns einfacher, weil der Gegner auch Fußball spielen wollte“, sagte Torwart Drobny.

Nun steht nicht zu erwarten, dass der VfL Bochum am nächsten Samstag mit Offensivfußball das Olympiastadion stürmen wird. Hertha wird Geduld aufbringen müssen in diesem Spiel, dem viele schon das Etikett „Schicksal“ anheften. Blödsinn, sagt Funkel, „Bochum wird für uns kein Entscheidungsspiel“, jedenfalls kein besonderes, denn „wir haben noch 15 Entscheidungsspiele in dieser Saison“. Weil die Zeit so knapp bemessen ist, nutzt der Trainer jede Minute zum Formen der Mannschaft, die das unmöglich erscheinende noch möglich machen soll. Gegen Mönchengladbach ließ er die elf Spieler seines Vertrauens von der ersten bis zur letzten Minute durchspielen.

Das kommt nicht so oft vor im modernen Hochgeschwindigkeitsfußball, wo jeder Spieler körperlich und intellektuell viel stärker gefordert ist als früher. Lucien Favre hat in seinen zweieinhalb Berliner Jahren kein einziges Mal auf Wechsel verzichtet, unter seinem Nachfolger spielte Hertha jetzt schon das zweite Mal durch. Das mag frustrierend sein für die Reservespieler, aber das interessiert Funkel nicht mal an Rande. Hertha wurde immer überlegener, warum hätte er den Spielfluss durch das Einfügen potenzieller Fremdkörper gefährden sollen? „Alle Spieler waren sehr gut“, befand Funkel.

Weil der Trainer seine Besetzung gefunden hat, findet sich auch Hertha. Erstmals in dieser Saison lief in zwei aufeinander folgenden Spielen dieselbe Mannschaft auf. Gegen Bochum wird sich wenig ändern. Als einziger Nachrücker steht Innenverteidiger Roman Hubnik bereit. Man darf gespannt sein, wen Funkel im Falle einer Umstellung aus der Abwehr abberuft. Der ursprüngliche Wackelkandidat Steve von Bergen war wie in Hannover keineswegs schwächer als sein Nebenmann, aber der heißt immerhin Arne Friedrich.

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