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Es geht vorwärts: Herthas Trainer-Team setzt wieder auf Altbewährtes.

© dapd

Babbel 2.0: Hertha hat das passende System gefunden

Nach Wochen personeller und taktischer Experimente scheint Hertha BSC jetzt ins Spiel zurückgefunden zu haben. Otto Rehhagel und sein Trainerteam sind zum bewährten Spielsystem der Vorrunde zurückgekehrt.

Der moderne Profifußball hat sich nur noch wenige Geheimnisse bewahrt. Alles ist transparent; wer wann wie schnell wohin gelaufen ist, zählt inzwischen selbst an Stammtischen zum Allgemeinwissen. Trainiert wird sowieso nur nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, und auch bei der Aufstellung bleibt wenig Platz für Intuition. Bei Otto Rehhagel ist das anders. „Ich stelle immer so auf, wie es mir das Gefühl sagt“, hat der Trainer von Hertha BSC am vergangenen Wochenende, nach dem Sieg des Berliner Bundesligisten in Mainz, gesagt. Man darf diese Aussage in ihrer Bestimmtheit durchaus für übertrieben halten.

Die taktische Grundordnung, dazu das Personal, das in Mainz auf dem Platz stand – das alles kam einem so bekannt vor, dass man nur schwer an eine spontane Eingebung glauben mag. Was Hertha am vergangenen Wochenende gespielt hat, war gewissermaßen Markus Babbel 2.0. „Es war genau das Spiel, das uns in der Hinrunde ausgezeichnet hat“, sagt Lewan Kobiaschwili. Tief verteidigen, vor allem im Zentrum kompakt stehen – und dann nach Ballgewinn auf Offensive umschalten. Auf diese Weise haben die Berliner unter ihrem Trainer Babbel im September beim Meister Borussia Dortmund gewonnen. Und genauso stoppten sie vor einer Woche unter Babbels Nach-Nachfolger Rehhagel den Powerfußball der Mainzer.

Herthas Sieg gegen Mainz in Bildern

Nachdem die vergangenen Wochen von taktischen und personellen Experimenten geprägt waren, scheint Hertha jetzt ein passendes System gefunden zu haben. Das ständige Hin und Her hat der Mannschaft nicht gut getan. Es konnte aber auch gar nicht ausbleiben, wenn alle paar Wochen ein neuer Trainer die Mannschaft mit neuen Ideen behelligt und sich erst einmal einen Überblick über die vorhandenen Möglichkeiten verschaffen muss. Otto Rehhagel zum Beispiel hat in fünf Spielen fünf verschiedene Formationen aufgeboten – zum Teil gezwungenermaßen, weil ihm wegen Sperren und Verletzungen nicht alle Spieler zur Verfügung standen; zum Teil aber auch selbstverschuldet, wie gegen die Bayern (0:6), als er sowohl bei Taktik (4-1-4-1) als auch Personal (Perdedaj als Rechtsverteidiger, Raffael als einzige Spitze) ungewöhnliche Lösungen gewählt hat. Von der Idee, Perdedaj als Gegenspieler von Franck Ribéry aufzubieten, war Rehhagel vor dem Spiel vehement abgeraten worden.

Die Defensive ist der Schlüssel zum Erfolg

Die Rückkehr zur gewohnten und bewährten Ordnung der alles in allem erfolgreichen Vorrunde hat der Mannschaft sichtlich gut getan. „Warum sollen wir das auseinanderreißen, was sehr gut funktioniert hat?“, fragt Co-Trainer René Tretschok. Auch personell gab es die größtmögliche Übereinstimmung zur Hinserie. Lewan Kobiaschwili, den Rehhagel als Linksverteidiger als verschenkt bezeichnet hatte, sollte auf genau diese Position zurückkehren. Allein wegen des kurzfristigen Ausfalls von Andreas Ottl spielte der Georgier dann doch wieder im defensiven Mittelfeld (was im Übrigen nicht zu Herthas Schaden war).

Der Auftritt in Mainz nährt die Hoffnung, dass Hertha gerade noch rechtzeitig zum Saisonfinale sowohl taktisch als auch personell eine stabile Ordnung gefunden hat. Im Abstiegskampf ist es wichtig, die Komplexität des Spiels so weit zu reduzieren, dass die Spieler klare Handlungsmuster besitzen, denen sie ohne größeres Nachdenken folgen können. Das Spiel, das Hertha in Mainz spielen konnte, kam den Qualitäten der Mannschaft entgegen. „Unser Offensivspiel hat sehr gut funktioniert“, sagt Lewan Kobiaschwili.

Es lag – so paradox das klingen mag – vor allem an Herthas dichter Defensive. Dadurch dass die Berliner so tief standen, lockten sie die Mainzer gewissermaßen aus der Deckung. Bei Ballgewinn eröffnete sich Raffael und Adrian Ramos dadurch die ganze Weite des Spielfelds, die sie dann ohne Schnörkel durchmessen konnten. „Wir wollten die Wege für die Jungs ein bisschen einfacher gestalten“, sagt Tretschok. Vor allem Ramos liegt das geradlinige Spiel weit mehr als der Kombinationsfußball auf engem Raum.

Gegen die Wolfsburger, die für die Qualifikation zur Europa League Siege brauchen, bietet sich heute eine ähnliche Herangehensweise an – obwohl Hertha zu Hause spielt. Rehhagel wird ganz sicher keine grundsätzlichen Bedenken anmelden. „Wir sind keine Mannschaft, die von der ersten Sekunde an auf Gedeih und Verderb das ganz große Risiko geht“, sagt er.

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