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Entlassung: Hertha feuert Lucien Favre

Fußball-Bundesligist Hertha BSC hat sich von seinem Trainer Lucien Favre getrennt. Neben dem Schweizer muss auch Co-Trainer Harald Gämperle gehen.

Um 18.03 Uhr ist Schluss. Die Abschiedserklärung ist zwei Sätze lang, schmucklose Presseerklärungsprosa: „Fußball-Bundesligist Hertha BSC hat am Montag, 28. September 2009, das Trainerteam Lucien Favre und Harald Gämperle mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden. Das Training der Bundesliga-Mannschaft wird interimsmäßig von U-23-Coach Karsten Heine geleitet.“

So endet eine Ära, die noch gar keine richtige war, bestenfalls eine Zwischenphase, wenn auch eine der erfolgreichsten in der jüngeren Geschichte des Berliner Fußball-Bundesligisten. Lucien Favre muss gehen, nach zuletzt sechs Niederlagen in Folge, die ein Klima der Entfremdung geschaffen hatten zwischen Trainer und Mannschaft. Platz vier in der vergangenen Saison war eine schöne Sache, aber am Montag um 18.03 Uhr war sie so weit weg von der Wirklichkeit wie die SPD von den glanzvollen Tagen unter Willy Brandt und Helmut Schmidt.

„Es ist mir nicht leicht gefallen, aber ich musste eine Entscheidung im Sinne von Hertha BSC treffen“, sagt Michael Preetz auf der abendlichen Pressekonferenz. Herthas Manager ist gezeichnet vom Stress des Tages. Er sagt, Präsidium und Aufsichtsrat würden die Entscheidung teilen. „Es ging so einfach nicht mehr weiter“, sagte er, „es hat sich alles verkehrt, was in der letzten Saison geklappt hat.“ Dann bedankt er sich bei Favre und Gämperle für die geleistete Arbeit, beide hätten die Entscheidung „professionell aufgenommen“.

Es ist vorbei, und es war ein Ende, das Favre nicht gewollt hat. Noch am Ende der Krisensitzung am Montagnachmittag hat er deutlich zu verstehen gegeben, dass er weitermachen wolle, weitermachen könne. Dass er es nicht mehr durfte, hängt vielleicht auch zusammen mit dem improvisierten Wutausbruch, den sein Assistent Harald Gämperle nach dem Training am Vormittag hingelegt hat. Favre hüllte sich in Schweigen, aber Gämperle hatte offenbar genug. Also trat er vor die Kameras und sprach. Laut, deutlich und im Duktus einer Abrechnung. Eine Zusammenfassung in geraffter Form: „Hertha BSC hat fachlich noch nie so einen guten Trainer gehabt wie jetzt, aber die Spieler merken das nicht und machen hinter dem Rücken des Trainers Politik, und so etwas geht überhaupt nicht. Wenn ein paar Spieler solche Leistungen abliefern, dann muss man sich schon fragen, welche Interessen diese Spieler haben.“ Preetz wollte Gämperles Auftritt nicht kommentieren.

Von Gämperle ist bekannt, dass er ein sehr enges Vertrauensverhältnis zu seinem Chef pflegt und zumindest in dessen Sinne geredet haben dürfte. Sein rauer Ton spricht für eine gewachsene Distanz zu Teilen der Mannschaft. Bei der Mannschaft kam er damit alles andere als gut an. „Unfassbar, wie kann der Mann in dieser Situation so sehr Partei gegen die Spieler beziehen“, sagt einer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. „Ich glaube nicht, dass der Verein das so hinnehmen kann.“

So dürfte auch Harald Gämperles improvisierter Wutausbruch ein Thema gewesen sein bei den zahlreichen Krisensitzungen, die Hertha am Montag abhielt. „Es gibt einiges zu bereden“, hatte Michael Preetz schon am Sonntag, eine Stunde nach dem Hoffenheimer Debakel, gesagt. Am Montag suchte er die Abgeschiedenheit der Backsteinbauten auf dem Olympiagelände. Gespräche standen an, mit Favre, mit erfahrenen Spielern wie Pal Dardai und natürlich Arne Friedrich, dem Mannschaftsführer, der zuletzt so wenig geführt hat und eher selbst der Führung bedurft hätte. Der Kapitän, so Preetz, sei am Abend von der Entscheidung unterrichtet worden.

Am Sonntag, beim 1:5 in Hoffenheim, war der Nationalspieler zum wiederholten Mal ein Totalausfall. Das von ihm verantwortete Abwehrzentrum war für Vedad Ibisevic die Spielwiese, auf der er seine Wiedergeburt als Torjäger zelebrierte. Dreimal traf der Bosnier, jedes Mal ehrfürchtig eskortiert von Arne Friedrich. In der Klubführung fragt man sich und mittlerweile auch Friedrich immer lauter, welchen Interessen er dient.

Pal Dardai sprach stellvertretend für den Kapitän, dass jeder Spieler selbstverständlich für den Klub und damit auch für sich selbst spiele: „Wenn wir so weitermachen, kann ich mit meinen 33 Jahren langsam die Schuhe an den Nagel hängen, und Arne wird vielleicht auch nicht mehr lange in der Nationalmannschaft spielen.“ Und wenn es so weitergeht, wird Hertha nicht mehr lange der Bundesliga angehören. Den Trainingsplatz verließ Favre im Geleit von zwei Ordnern. Das hat es seit Huub Stevens nicht mehr gegeben – und auch bei dem nur ganz am Ende seiner Amtszeit.

Bei Hertha hatte sich tagsüber Endzeitstimmung breitgemacht. „Wir müssen versuchen, uns aus diesem Loch auszugraben“, sagte Dardai. Arne Friedrich sagt nichts. Manager Michael Preetz ließ sich erst am Abend blicken. Und Favre sagte, dass er schon alles am Sonntag gesagt hatte, nämlich, dass es nichts zu sagen gibt. Es waren seine letzten Worte.

Karsten Heine wird das Training am Dienstag, zwei Tage vor dem Europa-League-Spiel bei Sporting Lissabon, leiten. Christian Fiedler, zuletzt als Torwarttrainer tätig, wird zum Kotrainer aufsteigen. Michael Preetz will sofort ein Anforderungsprofil für den neuen Trainer erstellen, Heine bleibe eine Interimlösung, sagte er. Durchaus möglich, dass schon am Sonntag im Heimspiel gegen den Hamburger SV ein neuer Trainer auf Herthas Trainerbank sitzt.

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