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Hertha und die Hauptstadt: FC Internationale Berlin

Berlin ist schwer angesagt, Hertha schwer leidend. Warum nutzt der wieder einmal abstiegsgefährdete Fußballklub nicht endlich nachhaltig das neue Image der Hauptstadt?

Von Markus Hesselmann

Berlin – finden alle klasse. Millionen Touristen strömen, junge Menschen aus Schwaben und dem Rest der Welt wollen hier leben. Hertha – finden vielleicht nicht alle klasse, doch immerhin strömen im Schnitt gut 54.000 Zuschauer ins Olympiastadion. Selbst beim letzten Spiel gegen Wolfsburg, einen nicht wirklich attraktiven Gegner, kamen mehr als 46.000 Zuschauer, um Hertha im Abstiegskampf zu sehen.

Diese optimistische Gegenüberstellung zwischen Stadt und Klub klingt trotzdem weit hergeholt. Berlin ist schwer angesagt zwischen New York und Neckarsulm, während Hertha schwer leidet. Mal wieder drohen sportlicher Absturz und finanzieller Crash. Dabei waren die Voraussetzungen für eine erfolgreich aufgestellte Hertha selten so gut wie jetzt. Das jahrzehntelang gepflegte Klischee vom West-Berliner Provinzklub, der seine Anhänger aus den Schultheiss-Kneipen prekärer Kieze rekrutiert, passt nicht mehr. Der gute Zuschauerschnitt – der Abstiegskandidat belegt damit Platz fünf in der Bundesliga, fast gleichauf mit dem VfB Stuttgart und ansonsten nur hinter den Champions-League-Aspiranten Dortmund, Bayern und Schalke – ist ja nur ein Punkt. Denn auf den Rängen im Olympiastadion trifft sich längst das neue, internationale Berlin.

Sogar ausländische Neu-Berliner und Touristen kommen gern ins Olympiastadion. Auf den Tribünen ist viel Englisch zu hören, wie auch andere Sprachen. Fußballfans aus aller Welt sind als Touristen auf Berlinbesuch und wollen wegen der neuen internationalen Attraktivität des deutschen Fußballs einfach irgendein Bundesligaspiel sehen. Aber sie sind dann schwer begeistert wegen der blau-weißen Masse treuer Hertha-Fans in der Ostkurve, die selbst in diesen trüben Tagen richtig Fußballparty machen. Das ist in vielen englischen, spanischen oder italienischen Stadien nicht so. Dass bei ausländischen Stadionbesuchern auch oft eine Faszination für die Nazi-Zeit („Hitlers Stadion“) mitschwingt – da sollten wir uns nichts vormachen. Davon lebt der Berlin-Tourismus ohnehin zum Teil.

Warum auch immer die Zuschauer ins Olympiastadion gekommen sind: Sie sind da, und Hertha sollte daraus Kapital schlagen. Wenn sich internationale Konzerne wie Emirates oder Targobank sogar in Hamburg oder Bremen engagieren, warum tun sie das nicht – viel näherliegend – in Berlin? Hier sponsert der bundesrepublikanische Staatskonzern Deutsche Bahn seit Jahren die Hertha. Das mag zur subventionierten Hauptstadt passen, doch das Dauerengagement der Bahn-Männer scheint die Hertha-Manager zur Bequemlichkeit verleitet zu haben. Umso dicker kommt es, wenn eine solche Verbindung dann mal endet.

Hertha und ihre Auftritte im Olympiastadion sind offensichtlich eine internationale Attraktion in Berlin. Entsprechend darf sich Berlin gern etwas mehr für Hertha einsetzen. Bloß nicht mit Subventionen, das verstärkt nur die Trägheit. Was aber spricht dagegen, den Verein stärker ins Stadtmarketing einzubinden und auf diesem Wege internationale Sponsoren zu werben? Ein hochrangiger Vertreter des Klubs sollte ständiges Mitglied der Reisedelegationen der Berliner Wirtschaft werden. Und warum nicht einen der Profis oder den Trainer immer wieder mal mit auf so eine Promotour schicken? Für andere Werbeeinsätze haben sie ja auch Zeit.

Das Potenzial ist da, umso tragischer wäre nun der nächste Abstieg. Dann bleiben erst einmal nur die ganz treuen Fans. Auch ein Trost, immerhin.

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