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Wer ragt heraus? Einzig Peer Kluge und Peter Niemeyer (rechts) sind in Herthas Mannschaft offizielle Funktionsträger. Foto: dpa

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Sport: Herthas Hierarchie

Der Zweitligist hat noch keinen Mannschaftsrat. Es hat sich aber ein Gefüge ergeben, das stabil wirkt.

Berlin - Peter Niemeyer ist es ein bisschen unangenehm. Ein wenig „auf die lange Bank geschoben“ habe man die Wahl, gibt der Mittelfeldmann zu. Aber sie werde nachgeholt, wenn Zeit dafür sei. Die Rede ist vom Mannschaftsrat bei Hertha BSC. Auf ein solches Gremium hatte Jos Luhukay verzichtet, als der Trainer Anfang August Niemeyer zum Kapitän und Peer Kluge zu dessen Stellvertreter ernannte. Niemeyer sagte nach seiner Ernennung, das Team wolle noch selbstständig ein Führungsgremium wählen.

Bisher ist nichts dergleichen passiert – und das ist gut so. Denn es zeigt sich, dass sich die Mannschaft auch so gefunden hat und eine Hierarchie gewachsen ist. Das ist nicht selbstverständlich nach elf Zu- und zwölf Abgängen seit dem Sommer. Der Großteil des Teams hat erst vier Trainingsmonate gemeinsam verbracht, die Strukturen sind noch nicht sehr fest. Doch das Gefüge scheint zu funktionieren. Das zeigt nicht nur Tabellenplatz zwei vor dem Spiel am Samstag beim Ersten, Eintracht Braunschweig. Auch die Art, wie sich die Spieler auf und neben dem Platz unterstützen, korrigieren, anfeuern, aufbauen, loben und feiern, ist bezeichnend.

So hatte sich das Luhukay gewünscht. Wichtiger als ein formeller Rat sei ihm, „dass die Mannschaft eigenverantwortlich ist und einzelne Spieler auf ihren Positionen Verantwortung übernehmen“, sagte er damals. Heute bilanziert er: „Es hat sich eine natürliche Hierarchie entwickelt.“ Die Eigeninitiative stimme. Nicht nur im Pressing, wo sich Spieler anfangs noch hinter der Defensive versteckten, statt selbst anzugreifen. Nun bringt sich jeder ein. Wenn es mal etwas zu verhandeln gebe, was alle betrifft, „dann gibt es mehr als zwei Leute, die mitreden“, sagt Niemeyer, also nicht nur er und Kluge.

Aber wie sieht Herthas Hierarchie aus? In der vergangenen Saison bildeten Kapitän Andre Mijatovic, seine Stellvertreter Christian Lell und Lewan Kobiaschwili sowie Patrick Ebert, Raffael, Fabian Lustenberger und Niemeyer den Rat. Vier der sieben Profis haben den Klub verlassen, genauso wie Maikel Aerts, der auch ohne festen Sitz Ansehen im Team genoss.

Der Wolf in leitender Funktion, wie er in der Nationalmannschaft oft gefordert wird, ist unumstritten Niemeyer. „Ein guter Kapitän, der die Mannschaft stimuliert und korrigiert“, sagt Luhukay. Niemeyer sei ein Vorbild in Pressing-Momenten, lege weite Wege auf dem Feld zurück und strahle Siegeswillen aus. In diese Rolle ist der 28-Jährige gewachsen. „In den letzten zwei Jahren habe ich mich manchmal eher zurückgehalten“, sagt Niemeyer, aber die Mannschaft habe nun „einige Typen verloren, die was dargestellt haben“. Auch energiegeladene Antreiber wie Pierre-Michel Lasogga oder Maik Franz, die verletzt fehlen. „Wenn Maik dabei ist, dann trete ich etwas in den Hintergrund, er ist auch ein Aggressivleader“, sagt Niemeyer.

Stellvertreter Kluge genießt wegen seines Einsatzes, seiner Erfahrung und seiner Leistung hohes Ansehen. Aber Kluge ist kein Lautsprecher, auch wenn er seine Meinung klar äußert. Ähnliches gilt für Fabian Lustenberger, der vor allem für seine ehrliche und positive Art geschätzt wird. Der gesperrte Lewan Kobiaschwili ist anerkannt, aber derzeit in allem ein wenig außen vor, weil er einfach nicht mitspielen darf.

Torwart Thomas Kraft hat eine Meinung, die er zumindest im Training lautstark äußert. Roman Hubnik hatte Luhukay anfangs eine Führungsrolle zugedacht, aber der Tscheche hat mehr mit sich und den Nachwirkungen des Abstiegs und der EM zu tun. Dafür überraschen Luhukay jüngere Spieler. „Sie übernehmen eine Menge Verantwortung“, lobt er. Änis Ben-Hatira, der für das Spiel in Braunschweig ausfällt, ist für die jungen Spieler ein wichtiger Ansprechpartner. Klingt, als könnte sich die Mannschaft mit der Wahl eines Rates noch ein wenig Zeit lassen. Dominik Bardow

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