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Raffael

© ddp

Herthas Klassenerhalt: Von wegen ungelingbar…

Geht da noch was? Nach dem 3:0 in Köln wächst bei Hertha BSC die Zuversicht, den Abstieg noch verhindern zu können.

Manchmal bedarf es keiner Worte, um Lob und Hochachtung auszusprechen. Den Spielern von Hertha BSC ist es am Samstag so ergangen. Als sie ihrem Anhang nach dem 3:0-Sieg beim 1. FC Köln die Ehre erwiesen, bot sich ihnen im Berliner Block jede Menge nackter Haut. Die Temperaturen waren nicht so, dass man sich zwingend die Klamotten vom Leib reißen musste, den Berlinern aber war an diesem Karsamstag ganz warm ums Herz. Fußballfans frönen der Freikörperkultur vor allem, um ihrer Zufriedenheit Ausdruck zu verleihen. Dazu bestand in Köln-Müngersdorf aller Grund.

Hertha BSC, seit mehr als einem halben Jahr Tabellenletzter der Fußball-Bundesliga, ist zurück im Geschäft. „Wir sind wieder auf dem richtigen Weg“, sagte Kapitän Arne Friedrich. Der Abstand auf den Relegationsplatz ist auf drei Punkte geschrumpft, in der Winterpause waren es noch zehn. „In der Hinrunde waren wir nicht konkurrenzfähig“, sagte Trainer Friedhelm Funkel. „Einige waren mit der Situation überfordert.“

Wie sehr sich die Lage zum Positiven für Hertha verändert hat – das belegte auch das Verhalten des Berliner Trainers im Spiel in Köln. Selbst als seine Mannschaft 3:0 führte und nach den Platzverweisen gegen Youssef Mohamad und Zoran Tosic mit zwei Mann mehr spielte, gab Funkel keine Ruhe: Er wetzte in seiner Coachingzone von links nach rechts und wieder zurück, geriet bei jeder strittigen Schiedsrichterentscheidung in Wallung und gab immer wieder Anweisungen an seine Spieler. „Ich war zu keiner Sekunde ruhig“, sagte Funkel. „Das soll nicht überheblich klingen, aber es hätte mich maßlos geärgert, wenn wir nur 3:1 gewonnen hätten. In unserer Situation ist jedes Tor wichtig.“ Jetzt, da Hertha im Großen und Ganzen wieder auf dem richtigen Weg scheint, kann sich der Trainer schon wieder mit vermeintlichen Kleinigkeiten wie der Tordifferenz befassen.

Der jüngste Aufschwung der Berliner ist nicht zu verstehen ohne deren bitterste Niederlage. Gerade drei Wochen ist es her, da kassierte Hertha im Heimspiel gegen Nürnberg in der Nachspielzeit das 1:2, anschließend stürmten etwa 150 Fans den Platz. Aus! Vorbei! Hertha war erledigt. „Das war die schwärzeste Woche, die der Klub seit langem erlebt hat", sagte Kapitän Friedrich. Selbst Funkel hatte an dieser Niederlage mehr zu knapsen als an allen Niederlagen zuvor. Mehrere Tage habe er mit seinen Spielern nicht gesprochen, um sie erst einmal in Ruhe zu lassen, „und dann kam die Trotzreaktion“.

Die Berliner mussten erst in eine Situation geraten, in der sie nichts mehr zu verlieren hatten, um wieder gewinnen zu können. „Man ist wieder frei im Kopf“, sagt Arne Friedrich. In den drei Spielen nach der Niederlage gegen Nürnberg holte Hertha sieben Punkte. „Es ist schon erstaunlich, wie die Mannschaft die zahlreichen Nackenschläge verarbeitet. Sie schafft es immer wieder, sich selber aufzurichten“, sagte Manager Michael Preetz. „Die Mentalität hat sich verändert.“

Niemand demonstrierte das in Köln so eindrucksvoll wie der Brasilianer Raffael. Ganze drei Tore hatte der offensive Mittelfeldspieler bis zum Samstag geschossen, dann traf er gegen die Kölner vor der Pause gleich zweimal. Bemerkenswert war vor allem Raffaels Entschlossenheit: Bei beiden Toren setzte er sich jeweils gegen zwei Verteidiger durch. Es war wie ein Signal: Wir lassen uns nicht aufhalten. „Jeder Spieler glaubt, dass wir aus der Situation herauskommen“, sagte Raffael. „Das ist das Geheimnis.“

Trainer Funkel sammelt längst fleißig Fakten, die für das Gelingen des eigentlich Ungelingbaren sprechen. Hertha habe in der Rückrunde noch kein schlechtes Spiel gemacht, zudem nie mit mehr als einem Tor Unterschied verloren (wobei er allerdings das 0:2 gegen Hoffenheim unterschlägt). Ganze neun Gegentore haben die Berliner in den zwölf Spielen seit der Winterpause kassiert – so wenige wie kein anderer der 18 Bundesligisten. Und schon jetzt weisen sie von den fünf Abstiegskandidaten am Tabellenende die beste Tordifferenz auf. „Wir waren einige Male am Boden. Wir sind belächelt worden. Wir sind abgeschrieben worden“, sagte Funkel, „aber wir sind immer wiedergekommen.“

Fünf Spiele bleiben Hertha noch, um die drei Punkte Rückstand aufzuholen. Angesichts dieser Konstellation könnte man fast schon wieder das Rechnen anfangen. „Da lassen wir lieber die Finger von“, sagte Arne Friedrich. Die Berliner spielen noch gegen den VfB Stuttgart, die beste Mannschaft der Rückrunde, anschließend bei den aufstrebenden Frankfurtern, und zum Schluss gegen Schalke, Leverkusen und die Bayern, die ersten drei der Bundesliga. „Ich habe vor den letzten fünf Spielen überhaupt keine Angst“, sagte Friedhelm Funkel. Dass Hertha in diesen Spielen nichts zu verlieren hat, muss in der Tat nicht unbedingt ein Nachteil sein.

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