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Verpasst: Hajime Hosogai springt am Ball vorbei.

© AFP

Herthas Schwäche bei Standards: Berlin, oben ohne

Hertha BSC kassiert zu viele Gegentore durch Standardsituationen – auch weil es den Berlinern an Entscheidendem mangelt: "Uns fehlt es an Zentimetern", sagt Trainer Jos Luhukay.

Dann sprach Jos Luhukay doch diesen einen Satz aus, den er eigentlich nicht aussprechen wollte. Weil er damit künftigen Gegnern einen schönen Steilpass geben und eine öffentliche Debatte auslösen würde. Herthas Trainer wand sich noch einen Moment an diesem verregneten Sonntagmorgen, doch dann sprach er ihn aus: „Uns fehlt es an Zentimetern.“

Vorausgegangen war am Tag zuvor das Bundesligaspiel gegen Schalke 04 und mithin eine Niederlage, die vermeidbar gewesen wäre, wenn a) die Berliner ihre eigenen Torchancen besser genutzt und b) Hertha das Problem bei gegnerischen Standards besser im Griff hätte. Erneut war der Gegner nach einer Ecke per Kopf in Führung gegangen. Mitte der ersten Halbzeit war Adam Szalai am Fünfmetereck des kurzen Pfostens höher gesprungen als Sebastian Langkamp. Da auch Herthas Torwart Thomas Kraft sein Gehäuse verlassen, die Freistoßflanke aber nicht erreicht hatte, segelte der Ball ins leere Tor. „Es ist das siebte oder achte Gegentor aus Standards, das müssen wir unbedingt abstellen“, sagte Luhukay.

Leichter gesagt als getan. Vor allem wenn einem im Abwehrbereich, wie Luhukay sagte, die Länge fehle. „Wir wissen, dass wir da ein Problem haben, wir verschweigen das auch nicht. Aber ich gehe nicht so weit, dass ich sage, dass wir es nicht abstellen können.“

Nach drei Kopfballgegentoren vom FC Bayern vor einer Woche dürfte sich in der Liga herumgesprochen haben, wo die Berliner anfällig sind. Sie haben ein Größenproblem. Torwart Kraft zählt mit 1,87 Meter Körpergröße nicht gerade zu den Riesen seines Fachs. Der Torhüter hat zwar gute Reflexe und in Eins-eins-Situationen sowie auf der Linie klar seine Stärken, aber bei hohen Bälle kommt er gelegentlich ins Schwimmen. Auch der Schalker Trainer Jens Keller sprach hinterher diesen wunden Punkt der Berliner an.

In Sebastian Langkamp haben die Berliner einen Abwehrspieler, der 1,91 Meter hoch ist. Sonst ist da noch Stürmer Adrian Ramos. Das sind zwei Spieler dieser Sorte, andere Bundesligisten haben vier oder fünf solch große Spieler, die zusätzlich kopfballstark sind. Man habe das im Sommer schon gewusst, sagte Luhukay, dem jetzt aber einer wie John Anthony Brooks (1,93) zusätzlich fehlt. Nach auskurierter Verletzung sammelt der Innenverteidiger in Herthas zweiter Mannschaft Spielpraxis. Man zahle jetzt „etwas Lehrgeld für die fehlende Länge“, aber das könne man abstellen. Nur nicht durch Wachsen.

„Wir müssen uns cleverer verhalten“, sagte Johannes van den Bergh (1,83). Als körperlich unterlegener Spieler müsste man den Gegenspieler bereits beim Laufweg zum Kopfball stören, aber nicht auf Kosten eines Strafstoßes. „Auch für Kleinere gibt es Möglichkeiten, sich zu wehren“, sagte Herthas Linksverteidiger.

Die wird Luhukay, die werden die Spieler von Hertha alsbald finden und praktizieren müssen. Die Qualität der Standards ist in der Bundesliga weit höher als die in der Zweiten Liga, wo die Berliner aus ruhenden Bälle kaum in Bedrängnis geraten waren, sondern ihrerseits viele Tore erzielen konnten. Standards sind in der Bundesliga daher ein probates Mittel, Tore zu erzielen. „Die Qualität der Spieler dafür ist einfach höher“, sagte Luhukay. Sowohl was die Schlagtechnik der Pass- und Flankengeber anbelangt als auch die Qualität der Verarbeitung einer Flanke. Luhukay: „Mandzukic bleibt ein genialer Kopfballspieler. Selbst wenn man vieles richtig macht, wird es Standards geben, die einfach schwer zu verteidigen sind.“

Doch so problembeladen mag Herthas niederländischer Trainer das Thema nicht sehen. „Wir wissen, was wir können und was wir nicht können“, sagte Luhukay. Das Gute sei doch, dass Gegner wie Hannover, Mönchengladbach, die Bayern oder Schalke, die um Europapokal- und Champions-League-Plätze kämpfen, „einen nicht einfach so wegspielen“, wie es Luhukay sagte. Aus dem Spiel heraus lasse Hertha wenig zu. Wenn es nur ein Größenproblem gäbe, sei es doch gut. Schwieriger wäre es, wenn Hertha taktische Probleme hätte. „Wir waren nicht schlechter als Schalke, im Gegenteil“, sagte Luhukay. Der Gegner haben fast nur verteidigen müssen, zudem einen Torwart gehabt, der übrigens 1,86 Meter groß ist, aber gehalten habe, was er halten musste. Gegen Mannschaften, die so gut besetzt sind wie die Bayern oder Schalke, „fehlte uns nach vorn etwas das Glück“, sagte Luhukay.

Für Luhukay gibt es keinen Grund mit Angst zum nächsten Bundesligaspiel (Hoffenheim) zu fahren und nach der Länderspielpause Bayer Leverkusen im Olympiastadion zu empfangen. „Wir werden lernen, bei Standards mehr Präsenz zu zeigen“, sagte Luhukay. Vielleicht ist auch Brooks dann wieder dabei. Bis dahin ist fehlende Länge durch größeres Geschick zu kompensieren.

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