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Sport: Herzenssache

Neue Fragen zum Tod des Radprofis Fabrice Salanson

Von Frank Bachner und

Ralf Meutgens

Berlin. Die Tour de Suisse läuft gerade, und jeder Radsportfan wartet auf die Tour de France. Das Radsport-Ereignis des Jahres. Da ist Fabrice Salanson fast schon vergessen. Natürlich war er tragisch, dieser Tod des jungen Franzosen bei der Deutschland-Rundfahrt. Aber es war letztlich doch ein gewöhnlicher Tod, kein Verdacht auf Dopingmissbrauch. So hat es jedenfalls der obduzierende Pathologe Jan Dreßler gesagt. Es habe sich um einen „Sekundenherztod bei Vergrößerung des Herzens mit relativer Minderversorgung der Herzmuskulatur durch die Herzkranzgefäße“ gehandelt.

Ein erledigter Fall also, tragisch, aber nicht weiter ungewöhnlich? Vielleicht ist der Tod des Fabrice Salanson doch ungewöhnlicher, als man bis heute weiß. Zahlreiche Fragen sind noch nicht beantwortet. Der renommierte Kardiologe und Sportmediziner Hans-Willi M. Breuer aus Görlitz wundert sich zumindest. Zu Salansons Tod sagt er: „Die Entwicklung eines Sportherzens auch bei Leistungssportlern ist seltener als oft angenommen. Wenn regelmäßige und ausreichende sportmedizinische Checks bei Salanson erfolgt wären, hätten eine Minderversorgung des Herzens mit Blut und eine krankhafte Veränderung des Herzmuskels mit hoher Wahrscheinlichkeit erkannt werden können.“ Anders gesagt: Entweder ist der Franzose im Laufe seiner Karriere nicht richtig untersucht worden, was bei Profis kaum der Fall sein dürfte. Oder es ist mehr passiert, als es den Anschein hat.

Breuer wundert sich vor allem über Zeit und Ort des Todesfalls: „Wieso tritt diese relative Minderversorgung des Herzens durch die Herzkranzgefäße im Hotelzimmer auf – und nicht bei der Sportausübung? Normalerweise tritt der sehr seltene plötzliche Herztod bei jungen Sportlern während oder kurz nach dem Sport auf, nicht aber in der Ruhephase.“ Ungewöhnlich seien auch die Reaktionen des Pathologen Dreßler und der zuständigen Staatsanwaltschaft Dresden. Niemand wollte Fragen beantworten, die sich geradezu aufdrängen. Zum Beispiel: Kann man den Missbrauch durch Insulin und/oder Wachstumshormon definitiv ausschließen? Wo genau wurde im Fall Salanson die Unterversorgung festgestellt? Warum trat sie zu diesem Zeitpunkt auf und nicht bereits vorher? Medienberichten zufolge wurde die Leiche neben dem Bett gefunden. Spricht das nicht gegen einen Sekundentod? Der Leiter des Anti-Doping-Labors in Kreischa, Klaus Müller, und Dreßler sagen lediglich, sie hätten den Auftrag der Staatsanwaltschaft ausgeführt, die Leiche von Salanson zu obduzieren. Der abschließende schriftliche Bericht dazu wird frühestens Ende der Woche vorliegen – aber er bleibt unter Verschluss.

Das ist bedauerlich. Denn Müllers Aussage, man habe „keine Dopingmittel gefunden“, ist ungenau. Ein Nachweisverfahren für zugeführtes Insulin gibt es noch nicht. Und das einzig existierende Nachweisverfahren für Wachstumshormon wird von den Sportverbänden nicht anerkannt. Ob man es im Fall Salanson angewandt hat, wird nicht beantwortet.

Vielleicht wird Fabrice Salanson ja doch nicht so schnell vergessen.

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